Wie ich trotz starker Schmerzen weiter stillte

Kathrin Gastartikel 30 Kommentare

Bloggerin Tamara Beck (Nestwärme.li) zeigt in ihrem Erfahrungsbericht wie sie wochenlang trotz enormer Schmerzen alles daran setzte, ihrem Baby Muttermilch zu ermöglichen und gleichzeitig die Symptome zu bekämpfen. Wie sie es schaffte entgegen aller Ratschläge durchzuhalten.

Ganz am Ende gibt es von mir noch ein paar Hinweise zu Schmerzen beim Stillen.

Viel Spaß beim Lesen!
Eure Kathrin

Ich wollte stillen. Das war mir vom Beginn der Schwangerschaft an klar. Dass das nicht einfach sein könnte, daran dachte ich keine Sekunde lang. Und dann war mein Sohn da und ich konnte keine zwei Tage stillen.

Meine Brustwarzen waren extrem empfindlich, schmerzten, bluteten. Jede Hebamme, die mich sah, sagte sofort: „Oje, sie haben so helle Haut, sie müssen sehr empfindlich sein.“ Vorher sagte mir das leider niemand.

Die Tage im Spital waren geprägt von Milch abpumpen, Kompressen auflegen, Lasertherapie und Luft an die verletzten Warzen lassen. Dazu oder gerade deshalb: Babyblues! Alle stillten ausser mir. Ich vermisste die Nähe zu meinem Baby und fürchtete mich vor den Folgen des Nicht-Stillens. Ich weinte jeden Tag. schmerzhaftes Stillen

Das Pumpen-Fläschchengeben-Pumpen-Brustwarzenpflegen-Fläschchenauskochen-Milchpulveranrühren bestimmte auch daheim meinen Tag. Es blieb keine Zeit, um das Baby und die Familie zu geniessen, denn in freien Minuten versuchte ich Schlaf nachzuholen.

Zuhause betreute mich meine Tante, die auch Hebamme ist. Meine Brustwarzen heilten, endlich konnte ich wieder stillen. Doch ich war sehr unbeholfen und es tat immer noch höllisch weh. Mein Sohn schlief außerdem trotz aller Bemühungen stets sofort an der Brust ein, aber mit einem Osteopathen wurde auch das besser.

Derweil litt ich Höllenqualen

Bei jedem Ansetzen verspannte ich mich total. Mir kamen die Tränen. Ich zog die Zehen an, krümmte mich. Einmal schrie ich mein Baby sogar an. Er erschrak und weinte. Mir tat es unendlich leid. Aus Angst vor den Schmerzen, gab ich ihm oft den Nuggi, auch wenn er vermutlich Hunger hatte. Um die Brustmahlzeiten hinauszuzögern, um meine Brüste zu schonen. So schlief er oft ein. Manchmal sass ich dann auf dem Sofa und beobachtete ihn beim Schlafen. War unfähig, irgendetwas zu tun, weil ich total in Panik davor war, dass er aufwacht und trinken will.

Nachts hatte ich keine Kraft zu stillen. Mein Mann gab unserem Sohn Fläschchen, während ich schmerzfrei Milch abpumpte.

Meine Tante versuchte alles:
Brustwarzenschoner, Stilleinlagen aus Heilwolle und Seide, Infrarotlicht, Homöopathie, Schüssler Salze, Bockshornkleesamen-Kapseln, Silacten-Tropfen, ein hausgemachtes Brustwarzenöl einer Hebamme, Lecithin, Vitamin C, verschiedene Salben. Sie fuhr alle Geschütze auf.
Ich fuhr außerdem regelmässig ins Spital um zu lasern, suchte eine Stillberaterin auf und bekam eine Salbe gegen Soor.

Nachdem die Brustwarzen offensichtlich nicht mehr wund wurden, wusste niemand, weshalb ich dennoch so starke Schmerzen verspürte. Ich erzählte mein Leiden immer wieder und musste dabei immer wieder weinen. Es schmerzte eigentlich nur vom Ansetzen bis zum Milchfluss. Doch das fühlte sich an, als würde mich jemand mit Rasiermessern bearbeiten.

Ich wollte geschätzte 1000 mal aufhören mit dem Stillen

Kaum jemand verstand mich. Mein Umfeld schüttelte den Kopf. Auch mein Mann verstand nicht. Mit dem Fläschchen würde doch alles viel einfacher, hätte ich wieder ein einigermassen normales Leben. Immer wieder riet man mir, doch einfach aufzuhören. Das sei doch nicht schlimm. Wenn es mir so schlecht gehe, merke das auch mein Baby. Es sei auch für ihn schlussendlich besser, wenn ich aufhöre.

Ich war einige Male kurz davor. Rief auch schon beim Frauenarzt an. Aber dann war wieder Wochenende. Hätte ich die Tabletten holen können, hätte ich sie vielleicht genommen. Aber die Nebenwirkungen ängstigten mich. Und überhaupt. Ich wollte stillen. Trotz allem! „Halt noch ein bisschen durch“, sagte meine Tante. Sie hatte ja keine Ahnung, was ich durchmache. Ich war ein Wrack. Ich liess mich tätowieren. Stand die Geburt durch. Aber das?

Ich wollte zwar keine Schmerzen mehr, doch nicht mehr stillen wollte ich noch weniger.

Die Vorstellung, dass meine Brüste keine Milch mehr geben würden, diese wunderbare Einrichtung der Natur einfach abzustellen, abzudrehen wie einen tropfenden Wasserhahn, das widerstrebte mir zutiefst. Der Gedanke machte mir Angst und trieb mir die Tränen in die Augen. Mein Wille war noch nie so stark. Und irgendwann wurde das Stillen erträglich.

Ich wurde mutiger. Eines Tages, ich habe es im Kalender eingetragen, liess ich das Stillhütchen weg. Nur kurz. Dann etwas länger. Auf beiden Seiten. Und plötzlich ging es ohne. Das Stillen wurde unkompliziert. Ich musste nicht dauernd überall Hütchen haben, Hütchen mitnehmen, Hütchen aufsetzen, Hütchen abwaschen und abkochen. Ich strahlte. Stillen war schön. Endlich! Mein Sohn ist sechs Monate alt geworden. Und ich stille noch und geniesse es sehr.

Es sind Momente der Zweisamkeit, der Entspannung. Ich werde sicher noch ein Weilchen weiterstillen, will noch gar nicht ans Abstillen denken. Und falls mir ein weiteres Baby gegönnt wird, möchte ich auch dieses stillen – in der Hoffnung, dass der gemeinsame Start ins Leben dann von Geburt weg klappt.

Anmerkung von heute:
Ich stillte meinen Sohn fast 10 Monate lang bis ich wieder auf einer Seite wund wurde. Meine Tante riet mir dann, das Stillen zu reduzieren (wir stillten noch sehr häufig), so schlich es sich, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte, leider langsam aus…

Am 20. Dezember 2011 wurde mir noch eine Tochter geschenkt. Ich hatte zwar von Anfang an mit denselben Problemen zu kämpfen. Leider. Hielt aber auch durch.

Im Wochenbett wurde ich von einer anderen Hebamme betreut, die mir wahnsinnig gut tat. Sie unterstützte mich sehr und mit der Weleda Heilsalbe wurde es schnell besser. Ich pumpte ebenfalls ab und fütterte noch mit ein wenig Milchpulver zu. Bald reichte die Muttermilch aus und sehr bald konnte ich voll stillen und auch die Hütchen weg lassen. Insgesamt war das „Drama“ also Gott sei Dank viel kürzer. Ich stille meine Maus noch heute, sie ist im Dezember zwei geworden und wir geniessen unsere Stillbeziehung noch sehr 🙂

Stillen & Schmerzen

Tamara und ihre Tochter.

 

Nestling-Ergänzung
Schmerzen beim Stillen verspüren zwar viele Frauen, sie sind aber keineswegs normal.
In den meisten Fällen ist unkorrektes Anlegen die Ursache. Deshalb bei auftreten Schmerzen unbedingt die Stillposition und das Anlegen überprüfen. Ist der ganze Körper des Babys dem Körper der Mutter zugewandt? Kann es die Brustwarze bequem erreichen? Liegt das Baby entspannt und ohne das Köpfchen zu überdrehen? Achte besonders darauf, dass das Baby mit seinem Mund nicht nur die Brustwarze, sondern das gesamte Brustgewebe erfasst.
Sehr anschaulich in diesem Video zu sehen:

Weitere Ursachen für wunde Brustwarzen können Besonderheiten im Mund des Kindes (beispielsweise ein verkürztes Zungenbändchen) oder Infektionen der Brustwarzen (z.B. Soor) sein.

Ist eine Brust besonders verletzt, kannst du mit dem Stillen an der weniger wunden Seite beginnen, denn das Ansaugen bis zum Milchspendereflex ist meist der unangenehmste Teil. Fließt die Milch, kannst du vorsichtig zu der schlimmer betroffenen Seite wechseln. Dabei wieder auf Stillposition und korrektes Anlegen achten!

Nach dem Stillen am besten den kleinen Finger in den Mundwinkel des Babys stecken. Das löst das im Mund entstandene Vakuum und ermöglicht schmerzfreies Abdocken.

Es gibt viele Methoden und Geheimtipps (wie die „Geschütze“ von Tamaras Tante), die vermeintlich bei wunden und schmerzenden Brustwarzen helfen. „Eine derart große Zahl an Medikamenten, Therapien und Hausmitteln für ein gesundheitliches Problem sollte uns Verbraucher jedoch immer skeptisch machen. Der Grund für diese Vielzahl ist nämlich einzig und allein: Sie helfen alle nicht wirklich!

Würde eines der Mittel bei wunden Brustwarzen sicher helfen, so hätte sich das bereits wie ein Lauffeuer (im Internet) herumgesprochen und der Hersteller wäre schon längst zum uneingeschränkten Marktführer geworden.

All diese Mittel helfen nicht, weil sie nur die Symptome behandeln, jedoch nicht die Ursache! Wenn die Ursache nicht gelöst wird, haben Mittel, die nur die Symptome behandeln, keinen durchschlagenden Erfolg. Zudem ist der Nutzen dieser Mittel in den meisten Fällen noch nicht einmal wissenschaftlich erwiesen. Manche können überdies sogar schädliche Auswirkungen haben“ (siehe „Schnelle Hilfe bei wunden Brustwarzen„).

Wende dich bitte an eine Stillberaterin, wenn du die Ursache für deine Schmerzen nicht selbst herausfinden kannst.

Adressen von Stillberaterinnen in deiner Nähe findest du unter folgenden Links:

Stillberaterinnen der La Leche Liga
Stillberaterinnen der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen oder
Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC

Von der La Leche Liga gibt es außerdem noch ein tolles Infoblatt „Wunde Brustwarzen“, mit praktischen Tipps und einer Checkliste „Auf was sollte ich beim Anlegen achten?“

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