Warum Kleinkinder nicht durchschlafen

Kathrin Schlafen 108 Kommentare

Als ich im Oktober 2012 von unserer notorischen Schlechtschläferin (damals 16 Monate) berichtete (siehe „Warum Babys nicht durchschlafen“), war ich voller Hoffnung, dass recht zeitnah ein zweiter Teil mit dem Titel „Juhu, sie schläft endlich durch!“ folgt. Doch erst seit kurzem schafft sie es, sieben bis zehn Stunden am Stück zu schlafen. Nicht jede Nacht wohlgemerkt, nur gelegentlich.

Bis vor drei Wochen wachte unser Mädchen (heute 35 Monate) regelmäßig jede Nacht auf. Meist nur zwei bis drei Mal pro Nacht, wobei sie flott wieder einschlief, wenn ich sie stillte. Manche Nächte waren allerdings der reinste Alptraum: Sie wälzte sich stundenlang hin und her, fand absolut keine Ruhe und nur an meiner Brust Beruhigung. Das waren die Phasen, die meine Zweifel aufs Neue schürten.

Ulla-Wecker-Nacht

Unser Radiowecker, der mir gnadenlos die Uhrzeit anzeigt.

Denn obwohl ich genau weiß, dass manche Kinder erst mit vier bis fünf Jahren durchschlafen, hatte ich einerseits gehofft, dass unser Mädchen es schneller schafft. Andererseits fragte ich mich immer wieder, ob das Familienbett und das „lange“ Stillen das Durchschlafen nicht doch verhindern.

Es ist also nicht so, dass ich in den vergangenen Monaten selbstsicher und überzeugt ihr nächtliches Aufwachen hinnahm. Nein, je schlimmer die Nächte verliefen und je müder ich mich fühlte, desto stärker kreisten meine Gedanken. Mache ich etwas falsch? Sollte ich sie abstillen, damit sie besser schläft? Stört sie meine Anwesenheit? Benötigt sie ein eigenes Bett? Ist es gut für ihre Entwicklung, wenn ich sie so lange an meiner Seite schlafen lasse? Wie lange darf ich sie noch stillen und bei uns schlafen lassen?

Was ist besser geworden?

Zunächst liegt es mir am Herzen unsere „Schlaffortschritte“ aufzuzeigen, denn obwohl unser Mädchen immer noch regelmäßig aufwacht, ist ihr Schlafverhalten insgesamt wesentlich besser geworden. Es zeichnet sich ein deutlicher „Durchschlaftrend“ ab.

Schnelleres Einschlafen

Ich begleite und stille unser Mädchen nach wie vor jeden Abend in den Schlaf, aber es dauert nur noch wenige Minuten (zwei bis fünf) bis sie eingeschlafen ist.

Längere Tiefschlafphasen

Früher musste ich unser Mädchen nicht nur wesentlich länger in den Schlaf begleiten, sondern zudem lange warten, bis sie wirklich tief und fest schlief. Laut Sears starten Säuglinge mit einer unruhigen (circa 20-minütigen) Leichtschlafphase (REM-Phase), was erklärt, warum man sie nicht direkt nach dem Einschlafen ablegen oder von der Brust abdocken kann.[1] In dieser störungsanfälligen Phase reichen die kleinsten Reize und schon wachen sie wieder auf.

„Mit zunehmendem Alter lernen Kinder, sofort aus dem Wachzustand in den Zustand des ruhigen Schlafs einzutreten, ohne erst durch eine lange Phase des aktiven Schlafs zu gehen. […] Das Alter in dem dies möglich ist, ist unterschiedlich.“[2] Es gibt drei Monate alte Babys, die sich sofort in die Tiefschlafphase begeben. Bei unserer Tochter verzeichnete ich eine deutliche Veränderung erst um ihren zweiten Geburtstag herum.

Das war auch in etwa die Zeit, in der es ihr gelang drei bis fünf Stunden am Stück zu schlafen (beispielsweise von 20 Uhr bis 00 Uhr). Da sie mich vorher meist in sehr kurzen Abständen (halbe Stunde bis anderthalb Stunde) rief, war das für uns ein riesiger Fortschritt.

Sears erklärt, dass Kinder, wenn sie älter werden eine gewisse Schlafreife erreichen. „Die Menge des aktiven (leichten) Schlafs verkürzt sich, der ruhige Schlaf nimmt zu und die Schlafzyklen werden länger.“[3] „Im Alter von etwa zwei bis drei Jahren sinkt der hohe Anteil an Leichtschlafphasen nach und nach auf das Niveau eines Erwachsenen.“[4]

Das wiederum bestätigte unser Mädchen in zwei Stufen. Um ihren zweiten Geburtstag herum verlängerte sie die Schlafeinheiten in der ersten Nachthälfte – sie schlief bis etwa Mitternacht durch (sofern sie keine Krankheiten oder ähnliches plagten). Jetzt kurz vor ihrem dritten Geburtstag verbesserte sich ihr Schlafverhalten auch in der zweiten Nachthälfte – sie schläft nun jede zweite oder dritte Nacht sieben bis zehn Stunden am Stück und zwar ohne dass wir die Schlafsituation (Familienbett/ Stillen) veränderten. Ein Beweis dafür, dass Kinder es alleine schaffen durchzuschlafen, wenn sie soweit sind?

Nicht mehr tragen – beruhigt sich im Bett

In schlimmen Zeiten, wenn unser Mädchen sich nicht im Bett/ an der Brust beruhigen ließ, musste ich sie ins Tragetuch packen und mit ihr durch die Wohnung marschieren. Bei ihrem ersten fiebrigen Infekt im Alter von sechs Monaten lief ich beispielsweise drei Nächte hintereinander mit ihr am Bauch auf und ab, weil sie nur so in den Schlaf fand und ich nicht wollte, dass sie schreit. Solche Situationen waren für mich ein Alptraum.

Es folgten noch viele Phasen, in denen sie (vor Schmerzen, aus Unruhe oder warum auch immer) nicht schlafen konnte und das „Getragenwerden“ einforderte. Je älter und schwerer sie allerdings wurde, desto mehr fehlte mir die Kraft und die Bereitschaft, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Thomas bot in diesen Situationen an, sie zu tragen, doch sie ließ/lässt sich kaum von ihm trösten, wenn es ihr schlecht geht. Ich sagte ihr klar und deutlich: „Papa kann dich tragen oder du bleibst bei mir im Bett.“ Nachts zog sie letzteres vor und lernte so über die Zeit, sich ruhig im Bett zu verhalten, wenn sie nicht schlafen konnte. Ich streichelte sie dann oder sang (sofern ich nicht selbst dabei einschlief), trug sie aber nicht mehr. Ebenfalls ein enormer Fortschritt, da sie das ohne Protest und Tränen akzeptierte.

Was war nach wie vor schlecht?

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Immer dann, wenn unser Mädchen besser schlief und ich mich an die abendliche Ruhe und die extra Stunden zum Arbeiten gewöhnt hatte, folgte eine extrem schlaflose Phase, in der ich keine Sekunde von ihrer Stelle weichen durfte. Meist im Zusammenhang mit Krankheiten und davon plagten uns so einige in den letzten Monaten (siehe „Krankenwache„).

Das heißt immer dann, wenn ich Hoffnung geschöpft hatte, dass es nun besser wird, fingen wir wieder bei Null an. Nur mit viel Geduld und Zeit gelang es mir dann, sie in den Tiefschlaf zu befördern und ließ ich sie schließlich allein zurück, rief sie mich nach spätestens 20-30 Minuten. Diese „Rückschläge“ waren extrem frustrierend.

Mir fehlten die Abendstunden zum Arbeiten und Schlaf, denn in diesen Nächten war sie zudem stundenlang wach und kam nur an meiner Brust zur Ruhe. Dauerten diese Phasen mehrere Tage lang an, sank meine Laune auf einen Tiefpunkt. Meine miese Laune ließ ich dann unfairer Weise an Thomas aus. Das legte sich wiederum negativ auf seine Stimmung. Ein wirklich blöder Kreislauf.

Doch wie in den ersten Lebensmonaten auch, war es mir wichtig für unser Mädchen da zu sein, wenn sie mich brauchte – auch nachts. Ich sah ja regelmäßig, dass sie schlafen konnte, wenn es ihr gut ging. Und ging es ihr schlecht, wollte ich ihr nicht noch zusätzliches Leid zufügen, indem ich sie nachts alleine oder weinen ließ. Schließlich waren diese unruhigen Nächte für sie gleichermaßen anstrengend, wenn nicht noch anstrengender, weil sie im Gegensatz zu mir körperliches Unwohlsein verspürte.

Leider fehlten Thomas und mir das sprichwörtliche Dorf, das erschöpften Eltern in solchen Phasen der Kindererziehung unterstützend beisteht. Also mussten wir alleine durch, was aber durchaus ging, da ich mich zu keiner Zeit am Ende meiner Kräfte fühlte und ich in den „guten Phasen“, die es glücklicherweise gab, Kraft tanken konnte. Ich ließ in den intensiven Zeiten die Arbeit Arbeit sein und legte mich früh am Abend zu unserem Mädchen – sehr weit kam ich eh nicht, wenn sie mich im 30-Minuten-Takt aus meinen Gedanken riss. So war sie ruhiger und ich erhielt zumindest ein bisschen Schlaf. Außerdem schlief ich gelegentlich mittags mit – ein Luxus, den ich mir leisten konnte, weil ich zu Hause arbeite und meine Zeit frei einteilen kann.

Zweite Nachthälfte unruhig

Wenn sie gut schlief, dann immer nur die erste Nachthälfte. In der Zweiten (ab circa 00 Uhr/ 01 Uhr) wurde sie bis vor zwei Wochen grundsätzlich unruhiger und wollte vermehrt stillen. Das beunruhigte mich wiederum, weil das der Zeit entsprach, in der Thomas und ich für gewöhnlich zu Bett gingen. Ich fragte mich, ob wir sie aufwecken und ob meine Nähe sie beim friedlichen Weiterschlafen stört und das führt mich auch direkt zu meinen am Anfang angesprochenen Zweifeln.

Familienbett und nächtliches Stillen – meine Zweifel

Zweifel Nr. 1: Lieber getrennt schlafen?

Das gemeinsame Schlafen mit Kindern ist in vielen Kulturen ein ganz gewöhnlicher Brauch, doch in unserer Gesellschaft gilt es nach wie vor als großes Tabu.[5] Obwohl ich mich lange und intensiv mit dieser Thematik auseinander setzte und um die Vorteile des Familienbettes weiß (siehe „Familienbett – Es gibt mehr als eine Lösung“), gelang es mir nicht meine Bedenken auszublenden. Vor allem dann nicht, wenn andere Mütter stolz berichteten wie toll ihr Kind im eigenen Bett durchschlafe.

Meine Unsicherheit und der Gedanke gemeinsames Schlafen sei falsch wurde außerdem durch die Meinung von „Fachleuten“ bestärkt. So betonte beispielsweise unsere Heilpraktikerin vor ein paar Wochen, dass unser Mädchen auf jeden Fall ein eigenes Bett benötige.

Die Begründung? Zu dieser Zeit wachte sie zwischen 3-4 Uhr morgens auf und laut Organuhr hat dieses Aufwachen etwas mit der Lunge zu tun. Die Lunge wird dem Element Metall zugeordnet und dieses „beschreibt die Fortentwicklung im Leben“ (siehe „Die fünf Elemente der chinesischen Heilmedizin“). Unsere Heilpraktikerin schlussfolgerte, dass sie einen eigenen Schlafraum benötige, um sich lösen (sich fortentwickeln) zu können. Meine Anwesenheit blockiere sie in ihrer Selbstständigkeit.

Ich fand diese Auslegung sehr vage. Natürlich möchten Kinder zwischen zwei bis drei Jahren zunehmend selbstständig werden, aber heißt das, sie brauchen/ wollen unbedingt ein eigenes Bett? Zudem wurde ein paar Tage zuvor die Zeit umgestellt und nach alter Zeit wachte sie zwischen 2-3 Uhr morgens auf. Letzteres fiel mir allerdings erst nach der Sitzung ein und da hatte sich „Sie braucht jetzt ein eigenes Bett!“ schon tief in meinem Kopf eingebrannt.

Probieren geht über studieren

Kuschelecke

Unsere Kuschelecke im Wohnzimmer wird gelegentlich zum Schlafen genutzt.

Ich zog also ins Wohnzimmer (unsere Wohnung bietet leider keinen Raum für ein eigenes Kinderzimmer), um zu schauen welche Auswirkungen das auf ihr Schlafverhalten hat. Ich schlief zwei Nächte wie ein Stein in unserer Kuschelecke und merkte erst, dass unser Mädchen nach mir ruft, als Thomas mich wachrüttelte. Ich erschrak heftig und durch das hinüber Laufen zu ihr wurde ich richtig wach. Unser Mädchen war ebenfalls putzmunter, weil sie nicht nur leise rufen, sondern Alarm schlagen musste.

Meine Abwesenheit verhinderte ihr Aufwachen nicht. Dafür fand ich das getrennte Schlafen unangenehm, weil ich nicht sofort reagieren konnte und wir beide dadurch hellwach waren. Aber auch unser Mädchen schien nicht glücklich mit der neuen Schlafsituation. Als ich sie am dritten Abend fragte, ob sie lieber allein oder mit mir schlafen wolle, antwortete sie mit traurigem Blick „Ich mit de Mama schlafen!“

Das machten wir dann auch. Dennoch halte ich es für eine gute Idee, von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob sich die Gewohnheiten bzw. die Bedürfnisse des Kindes geändert haben. Ich höre und lese immer wieder von Kindern (und auch Eltern), die scheinbar ruhiger in einem eigenen Bett schlafen. Ob mein Kind dazu gehört, kann ich nur herausfinden, indem ich es teste.

Zweifel Nr. 2: Ist das Stillen Schuld am nächtlichen Aufwachen?

Es heißt, dass Stillkinder nachts häufig aufwachen, weil sie sich an den nächtlichen „Milchservice“ gewöhnt haben und nun weiterhin aus Gewohnheit auftanken müssen. Wenn ein Kind nachts oft stillen möchte (es gibt auch Stillkinder, die viele Stunden am Stück schlafen),  handelt es sich allerdings nicht um eine schlechte Gewohnheit, sondern um ein natürliches und für seine Entwicklung wichtiges Bedürfnis, wie die nächsten Abschnitte zeigen.

Davon abgesehen haben alle Babys und Kleinkinder einen deutlich leichteren Schlaf als Jugendliche oder Erwachsene – unabhängig von Schlafplatz, Nahrungsform und Nahrungsmenge. „Alle Kleinkinder wachen im Laufe des Nachtschlafes in aller Regel mehrmals auf – selbst die „Durchschlafenden“.“[6] Nur schlafen diese seltenen Exemplare – im Gegensatz zu der Mehrheit der aufwachenden Kinder – von selbst wieder ein.

Natürliches Saugbedürfnis

Alle Babys und Kleinkinder haben ein natürliches Saugbedürfnis – auch nachts. Dieses Saugbedürfnis dient in erster Linie dazu, dass das Kind die Nahrung bekommt, die es zum Wachsen und Gedeihen benötigt. Die Natur sieht es vor, dass ein Kind sein Saugbedürfnis an der Brust stillt – es erhält so gleichzeitig Nahrung und Beruhigung (durch das Saugen an der Brust und die Nähe zur Mutter).

Nächtliche Mahlzeiten für die Gehirnentwicklung

Vom evolutionären Blickwinkel betrachtet ist es übrigens sinnvoll, dass Kinder auch nachts Nahrung aufnehmen, denn diese benötigen sie in den ersten drei Lebensjahren für den Aufbau ihres enorm komplexen Gehirnes. „Ein Kind muss sein extrem schnell wachsendes Gehirn beständig mit Energie beliefern und da gilt es möglichst keine Gelegenheit auszulassen.“[7] 

Obwohl unsere Kinder (im Gegensatz zu unseren Vorfahren) aufgrund des konstanten Nahrungsangebotes keine Engpässe erleiden, sind nächtliche Stillmahlzeiten auch heute noch über das erste halbe Jahr hinaus gut und wichtig für ein Kind. Schließlich weiß niemand besser als das Kind selbst, wann es wie viel Nahrung benötigt. Für uns Eltern ist dabei wichtig zu wissen, dass „Kinder nicht wachsen, weil sie gegessen haben, sondern dass sie essen, weil sie wachsen.“[8] Diesen phasenweise erhöhten Energiebedarf decken sie häufig in der Nacht, auch um die Milchproduktion anzukurbeln.

Keine nächtlichen Stillmahlzeiten ab sechs Monaten?

Ich lese außerdem immer wieder, dass Babys ab sechs Monaten nachts keine Stillmahlzeit mehr brauchen. Dabei dürfen wir zwei Dinge nicht außer Acht lassen:

1. Eine solche Behauptung besagt lediglich, „dass nächtliche Nahrungspausen jetzt keine gesundheitlichen Probleme mehr verursachen.“[9] Das heißt jedoch nicht, dass es verboten ist ein einjähriges, zweijähriges oder noch älteres Kind zu stillen und es bedeutet auch nicht, dass es schädlich ist für seine Entwicklung. Denn dafür gibt es keine Belege.

2. Jedes Kind entwickelt sich individuell: Manche schaffen es mit zehn Monaten (oder sogar eher) ohne nächtliche Mahlzeit auszukommen, andere brauchen eben (viel) länger. Eine Regel für alle – das kann nicht funktionieren.

Stillen – Nahrung für die Seele

Wir dürfen ebenfalls nicht vergessen, dass das Stillen nicht nur Nahrung für den Körper, sondern auch Nahrung für die Seele ist. Das Saugen an der Brust bringt dem Kind Entspannung und hilft ihm so durch schwierige Zeiten, wie Krankheit, Wachstumsschübe und Zahnen. Das Stillen befriedigt das Bedürfnis der Kleinen nach Geborgenheit, Nähe und Wärme (welches nachts in diesen Phasen meist ausgeprägter ist). Es liefert wichtige Immunstoffe, es sättigt, spendet Trost, beruhigt und durchflutet den Körper mit Glückshormonen (Oxytocin) – ein besseres Allheilmittel gibt es nicht (siehe auch „Stillen ist Kopfsache“).

Materieller Brustersatz hilft nicht beim Durchschlafen

Babys und Kleinkinder, die nicht (mehr) an der Brust trinken, brauchen einen „Brustersatz“, um ihr Saugbedürfnis zu stillen. Gespräche mit Freunden zeigten mir, dass viele Kinder in dem Alter unserer Tochter nachts einen Schnuller, ein Schnuffeltuch, ja teilweise sogar noch ihr Fläschchen einfordern. Das sind Tatsachen, mit denen keine Mutter eines dreijährigen Kindes hausieren geht (schließlich wird bei Schnullergebrauch und nächtlichem Fläschchen in dem Alter mindestens genau so schlimm gewettert wie bei dreijährigen Stillkindern). Diese ehrlichen Zugeständnisse zeigen mir allerdings, dass es dieses Saugbedürfnis tatsächlich bei allen Kindern bis ins Kleinkindalter (in unterschiedlicher Ausprägung) gibt.

„Ein Kind braucht ausreichend Sauggelegenheit bis in das dritte Lebensjahr hinein“, bestätigt Lothrop.[10] Materielle Beruhigungsmittel sind hierfür akzeptable Hilfsmittel, die für eine Erleichterung der Mutter sorgen können. Sie garantieren jedoch nicht, dass ein Kind nachts nie wieder nach seinen Eltern ruft und von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang durchschläft.

Ist das Abstillen eine Lösung?

Meine Erfahrung als Stillberaterin zeigt, dass sich unruhiges Schlafverhalten weder durch das Abstillen noch durch den Einsatz von „Brustersatzmitteln“ wie durch ein Wunder verändert. Viele Frauen beenden die Stillbeziehung in der Hoffnung, dass dadurch alles besser wird – die schlaflosen Nächte endlich vorbei sind. Doch wer das erwartet, wird in der Regel eine herbe Enttäuschung erleben.

Kinder wachen nachts auf und sie suchen die Nähe ihrer Eltern, unabhängig davon, ob sie Muttermilch erhalten oder künstliche Säuglingsnahrung. Unabhängig davon, ob sie im Familienbett oder im eigenen Bett schlafen. „Dahinter steht kein Mangel oder Defekt, sondern eine im Grunde normale, zu erwartende Reaktion eines beständig vom Schutz der Erwachsenen abhängigen Wesens.“[11]

Leichter Schlaf

Wie bereits erwähnt, haben alle Babys und Kleinkinder von Natur aus einen unruhigeren Schlaf als Erwachsene und mehr störungsanfällige Phasen, in denen sie leicht aufwachen können (siehe auch „Warum Babys nicht durchschlafen“). „Der oberflächliche, von Wachphasen durchbrochene Schlaf bei Kindern ist in allen Kulturen zu beobachten und wird mit drei bis vier Jahren „von selbst fester“ – also in dem Alter in dem die Kinder ursprünglich von der Brust entwöhnt wurden.“[12]

Ich sehe jetzt schon die Kommentare der Eltern vor mir, deren Kinder bereits mit x-Wochen oder x-Monaten „durchschliefen“. Das stimmt allerdings nur zur Hälfte. Das Schlafmuster (hoher Anteil an REM-Schlaf) ist bei allen Kindern identisch ist, d.h. alle Kinder wachen nachts kurz auf. Dennoch bin ich mir bewusst, dass es Kinder gibt, die diesen Entwicklungsschritt (alleine wieder in den Schlaf zu finden) recht flott schaffen. Das ist toll und wirklich beneidenswert, aber nicht die Regel.
Übrigens kommt es nicht selten vor, dass ein Kind, dass schon mit wenigen Wochen durchschläft, später plötzlich wieder jede Nacht aufwacht. Das trifft auf Flaschenkinder ebenso zu wie auf gestillte Kinder.

Tatsache ist, dass sich „über ein Drittel der Kinder nachts noch mit zweieinhalb Jahren regelmäßig meldet.“[13] Unser Mädchen zählt definitiv dazu. Das ist nicht so schön (durchschlafen wäre mir natürlich auch lieber), aber richtig schlimm ist es nur, weil ich in den letzten drei Jahren immer wieder das Gefühl bekam, es sei meine Schuld.

Zweifel Nr. 3: Ist das Schlafverhalten unseres Kindes normal?

In unseren Kreisen gelten die Kinder als normal, die die ganze Nacht alleine durchschlafen und nachts nichts essen. Wer nachts mehrmals aufwacht und nach seinen Eltern verlangt, leidet laut Definition unter einer Schlafstörung. Diese wird angeblich durch die Anwesenheit der Eltern in der Nacht (durch das in den Schlaf Tragen, Stillen, Kuscheln…) hervorgerufen und gefördert, da das Kind so „schlechte Angewohnheiten“ erlernt.

Dazu sagt Renz-Polster: „Wenn Kinder nachts häufig aufwachen, mag das ein Problem sein, eine „Schlafstörung“ oder gar eine Krankheit, wie es heute nur allzu schnell diagnostiziert wird, ist es allerdings nicht.“[14] Gonzalez stellt in diesem Zusammenhang außerdem eine interessante Frage: „Warum gibt es so wenige Kinder, die das „Normale“ (alleine schlafen) tun, und so viele, die das „Anomale“ (nach der Mutter zu rufen) tun?“ Ist es nicht seltsam, dass es für so viele Kinder eine große Herausforderung darstellt, nachts ohne die Hilfe der Eltern und ohne Milchmahlzeiten auszukommen? Ist die Mehrzahl der Kinder wirklich unnormal? Wohl eher nicht. 

„Nur mit Mühe und konsequenter Vorgehensweise kann man ein Kind dazu bewegen, alleine zu schlafen, denn das widerspricht seiner angeborenen Neigung. Aber bei der kleinsten Gelegenheit wird es wieder nach seinen Eltern rufen, denn das ist das Normale.“[15]

Zweifel Nr. 4: Nicht selbstständig durch Familienbett?

Das Problem mit der Selbstständigkeit ist, dass Kinder oft viel mehr Zeit zum Reifen benötigen, als wir ihnen in unserer Gesellschaft zugestehen. Das ist schade, vor allem dann, wenn Mütter gewillt sind ihren Kindern diese Zeit einzuräumen, aber aus Angst und Verunsicherung doch mit mehr Druck arbeiten.

Immer wieder wird gefordert die natürlichen Entwicklungsprozesse unserer Kinder (essen, abnabeln von der Mutter,  abstillen, selbstständiges schlafen usw.) zu beschleunigen. Und wer das (so wie ich) nicht möchte/ durchzieht, weil das Kind darunter leidet/ sich dagegen wehrt/ nicht mitmacht, zweifelt solange an diesem Weg, bis das Kind diesen Entwicklungsschritt endlich vollzogen hat. Bis quasi der Beweis geliefert wurde, dass es auch ohne äußeren Druck geht…

Es gab einige Entwicklungsschritte, bei denen unser Mädchen viel Geduld und Zeit von uns abverlangte. Beispielsweise aß sie erst mit zehn Monaten nennenswerte Portionen fester Nahrung (siehe „Beikosteinführung: Fingerfood statt Brei„) und sie durchlebte außerdem eine ausgeprägte Mama-Phase (bis fast zu ihrem zweiten Geburtstag), in der sie kaum ohne mich sein wollte und nicht gerne alleine bei anderen blieb (selbst bei Verwandten nicht).

Obwohl ich die Meinungen in meinem Umfeld (ihr endlich etwas „zuzumuten“) deutlich vernahm, sagte etwas tief in mir drin, dass sie unabhängig und selbstständig wird, wenn sie soweit ist. Ich zwang sie zu nichts, schränkte sie aber auch nicht in ihrer Neugier und ihrem Entdeckungs-/ Bewegungsdrang ein. Trotzdem (oder gerade deswegen) wurde aus ihr ein guter Esser und mittlerweile geht sie offen und selbstbewusst auf andere (auch völlig fremde) Menschen zu. Seit vielen Monaten spielt sie stundenlang ohne mich und zwar sehr gerne.

Beim gemeinsamen Schlafen im Familienbett fehlte mir bislang „der Beweis“, dass dieses nicht ihre Selbstständigkeit blockiert. Auch wenn es grundsätzlich keine empfehlenswerte Methode ist, so verglich ich unser Mädchen mit den Kindern befreundeter Mütter. Es erleichterte mich ungemein, dass viele andere über Zweijährige auch nicht durchschlafen. Kinder, die nicht gestillt werden und die im eigenen Bett einschlafen – die aber spätestens in der zweiten Nachthilfe den Schutz im elterlichen Bett suchten. Kinder, die trotz eigener Schlafstätte auch noch nicht selbstständig(er) waren.

Das zeigte mir, dass wir nicht die einzigen Leidgeplagten sind. Es zeigte mir zudem, dass dieses Verhalten entweder (wie oben beschrieben) normal ist oder dass ich nicht die einzige bin, die das Schlafverhalten ihres Kindes „ruiniert“ hat 🙂

Letztendlich lieferte mir unser Mädchen in den letzten drei Wochen den Beweis dafür, dass Kinder auch im Familienbett selbstständig durchschlafen können. Auch wenn wir noch nicht von einem sicheren, täglichen Durchschlafen sprechen können, zeichnet sich eine starke Tendenz in die richtige Richtung ab.

„Ideal wäre es die individuelle Entwicklung des Kindes zu respektieren und nichts [weder abstillen noch alleine schlafen] zu erzwingen. Wenn wir ihm die Möglichkeit geben, sich in seinem Tempo zu entwickeln und seinen Wunsch nach Liebe und Nähe erfüllen, wird es dadurch nicht abhängig (wie manche fürchten), sondern es kann sich zu einem gesunden, selbstständigen und offenen Menschen entwickeln.“[16]

Wann verlässt mein Kind das Familienbett?

Das ist eine Frage, die sich jedes Elternteil stellt, das seinem Kind einen Platz in der Mitte des Familienbettes gewährt. Doch wie bei Fragen nach anderen Entwicklungsschritten (Wann wird es laufen? Wann sprechen?) gibt es keine auf alle Kinder zutreffende Antwort.

Gonzalez betont, was auch viele „Familienbett-Mütter“ im Internet bezeugen:
„Es wird ein Alter kommen, in dem ihr Kind um keinen Preis bei Ihnen schlafen will. Es wird ein Alter kommen, in dem es nicht einmal das Zimmer mit seinen Geschwistern teilen will (und wenn kein weiteres Zimmer zur Verfügung steht, ist der Konflikt vorprogrammiert).“
[17]

Wenn ich weiß, dass es unserem Mädchen gut geht neben mir, darf sie in unserem Bett schlafen solange sie will. Thomas und ich, wir sind uns einig, dass sie immer willkommen ist in unserem Familienschlafzimmer, egal wie alt sie ist.

Denn Sears bringt es auf den Punkt:

„Die Beziehung zu Ihrem Kind ist so wichtig, dass Uhr und Kalender hier nichts verloren haben. Setzen Sie keine zeitlichen Grenzen für diese wunderschöne Phase. Die Hauptfrage ist nicht, wann Ihr Kind das Familienbett verlässt, sondern wie. Wenn Sie dafür keinen Termin festsetzen, werden Sie auch keine Enttäuschung erleben.“[18]

Nächtliches Stillen: Vom Dauernuckeln zum Durchschlafen

Ich stille unser Mädchen gerne und das nächtliche Stillen stört mich kaum – nur in den Phasen, in denen sie nonstop an meiner Brust nuckeln möchte, empfinde ich es als unangenehm.

Je älter unser Mädchen wurde, desto konsequenter forderte ich in diesen anstrengenden Zeiten Stillpausen ein. Beispielsweise zu Beginn der Schwangerschaft, als sie plötzlich wieder ununterbrochen stillte. Ich erklärte ihr, dass meine Brüste schmerzen und sie nicht trinken darf. Sie akzeptierte das zwar, verbrachte diese Stillpausen (in denen ich für sie sang und sie streichelte) allerdings in einem wachen Zustand. Nur wenige Male fand sie so in den Schlaf. Meistens wartete sie geduldig zwei bis drei Stunden, dann wurde ihre Bitte nach dem Stillen intensiver und sie schlief schließlich an der Brust wieder ein.

Ihre Kooperationsbereitschaft erstaunte mich und zeigte mir, dass sie versuchte ohne das Stillen klar zu kommen – es aber nicht schaffte. Vor einigen Wochen (als meine Brustwarzen schwangerschaftsbedingt so empfindlich waren), spielte ich ernsthaft mit dem Gedanken abzustillen, brachte es aber nicht übers Herz ihr dieses „Seelenfutter“ zu nehmen. Ich entschied mich, die Stillpausen peu à peu auszudehnen (eine sanfte Abstill-Variante[19]), als sie plötzlich von ganz alleine wieder ruhiger schlief. Besser noch – plötzlich schlief sie durch – neben mir im Familienbett trotz „Milchduft“ in der Nase 🙂

Den Gedanken an das Abstillen verwarf ich wieder, denn sie scheint auch in diesem Punkt allmählich zu reifen. Ich hatte mir ein Ende unserer Stillbeziehung um ihren dritten Geburtstag herum (Ende Juni) gewünscht, aber wenn es noch ein paar Wochen länger dauert, ist das auch in Ordnung. Ähnlich wie beim Teilen des Bettes, liegt mir am Herzen, dass wir eine Lösung finden, die für uns beide passt. Und da unser Mädchen nicht nur fordert, sondern auch meine Bedürfnisse akzeptiert, schließe ich gerne weiterhin Kompromisse.

Fazit

Es ist ziemlich anstrengend jahrelang jede Nacht mehrmals aufzuwachen, weil mein Kind mich braucht. In schlimmen Phasen wünschte ich mir nichts sehnlicher, als einfach weiter schlafen zu können. Stundenlang. Tief und fest.

Doch noch anstrengender empfand ich die ständige Suche nach guten Argumenten für unseren kindgerechten Weg, wenn mich „Experten“ und mein Umfeld in eine Rechtfertigungshaltung drängten. In schlimmen Phasen wünschte ich mir nichts sehnlicher, als einen verständnisvollen Gegenüber. Jemand, der erkennt, was ich hier leiste und nicht akribisch nach Erziehungsfehlern sucht.

Denn eines ist mir in den letzten drei Jahren klarer denn je geworden: Das Schlafverhalten eines Kindes ist ein Teil seiner Persönlichkeit und nicht abhängig von Erziehungsmethoden. Wann das eigene Kind letztendlich durchschläft, ist nicht vorhersehbar. Da lohnt es sich zu akzeptieren, dass Kinder kleine menschliche Wesen und keine programmierbaren Maschinen sind.

Mein großes Mädchen

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen, was Kinder wirklich brauchen. Sie benötigen emotionale Sicherheit und die erhalten sie, indem ihr liebevoll und geduldig auf ihre Bedürfnisse eingeht. Sie brauchen Zeit, um den jeweiligen Entwicklungsschritt zu meistern und euer Vertrauen, dass sie diesen erreichen, wenn sie soweit sind. Wenn ihr es dann noch hinbekommt, einen Raum zu schaffen, indem eure Kinder ihrem natürlichen Drang nach Selbstständigkeit nachkommen dürfen, dann steht einer gesunden Entwicklung nichts mehr im Wege.

Unser Mädchen ist zwar noch ein paar Schritte vom „richtigen“ Durchschlafen entfernt, aber die vergangenen Wochen stimmen mich zuversichtlich, dass wir die letzte Etappe auch noch meistern. Bis sie auszieht (viele Kinder verlassen das Familienbett, wenn ein Geschwisterchen da ist), genieße ich das kleine, warme Bündel an meiner Seite. Aber selbst wenn wir unsere Schlafoase ab November mit zwei Kindern teilen müssten, sollte das bei 2,80 Meter Breite kein Problem sein 🙂

„Gemeinsames Schlafen gibt der Zeit, die Sie schlafend verbringen – immerhin ungefähr ein Drittel von 24 Stunden – eine weitere Dimension. Es ist Zeit, die für die Erziehung nicht verloren geht, sondern gut investiert ist. Unzählige Male geben Sie Ihrem Kind ohne Worte zu verstehen, wie lieb Sie es haben.“[20]

 

Footnotes    (↵ returns to text)

  1.  Sears, William: Schlafen und Wachen (2005), S. 21.
  2.  Sears, William: Schlafen und Wachen (2005), S. 22.
  3.  Sears, William: Schlafen und Wachen (2005), S. 23.
  4.  Sears, William: Schlafen und Wachen (2005), S. 20.
  5.  Sears, William: Schlafen und Wachen (2005), S. 38.
  6.  Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), S. 99.
  7.  Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), S. 52.
  8.  González, Carlos: Mein Kind will nicht essen (2012), S. 21.
  9.  Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), S. 53.
  10.  Lothrop, Hannah: Das Stillbuch (2009), S. 188.
  11.  Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), S. 105.
  12.  Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), S. 104.
  13.  Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), S. 104.
  14.  Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), S. 116.
  15.  González, Carlos: In Liebe wachsen (2005), S. 165.
  16.  Lothrop, Hannah: Das Stillbuch (2009), S. 182.
  17.  González, Carlos: In Liebe wachsen (2005), S. 169.
  18.  Sears, William: Schlafen und Wachen (2005), S. 42.
  19.  La Leche Liga: Das Handbuch für stillende Mütter (1997), S. .
  20.  Sears, William: Schlafen und Wachen (2005), S. 54.
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