Beikosteinführung: Fingerfood statt Brei (Baby-Led Weaning)

Kathrin Beikost 69 Kommentare

Straffe Zeitpläne, fade Breirezepte, sich wehrende Kinder war gestern. Heute gehen immer mehr Eltern das Thema Beikost spielerisch an und verzichten dabei zum Teil gänzlich auf pürierte Babynahrung. Babys entscheiden was und wie viel sie essen möchten. Gestillt wird weiterhin nach Bedarf. Das ist gut so und wichtig, denn bei der vom Baby gesteuerten Beikosteinführung kann es manchmal Monate dauern bis ein Kind keine Muttermilch mehr zum Dessert möchte.

Was ist Baby-Led Weaning?

Baby-Led Weaning (BLW), zu deutsch „Vom Baby gesteuertes Entwöhnen/ Abstillen“, ist die Alternative zur klassischen B(r)eikosteinführung – statt Brei gibt es Fingerfood und zwar von Anfang an. „Publiziert wurde über diese Methode erstmals von Gill Rapley, einer Kinderkrankenschwester und der stellvertretenden Direktorin der „Baby Friendly Initative“ des britischen UNICEF Büros. Der Grundstein des BLW ist die Beobachtung, dass Babys mit sechs Monaten in der Regel von sich aus Interesse am Essen zeigen und dieses entdecken wollen. Dabei wird Stillen als die ideale Vorbereitung gesehen, da gestillte Babys die Milchaufnahme selbst regulieren und es nicht möglich ist, ein gestilltes Baby zu überfüttern.“[1]

Bei der BLW-Methode bekommt das Baby von Anfang an geeignetes (unpüriertes) Essen vom Familientisch und isst nur, was es selber in den Mund führt. Es wird nicht gefüttert und weiterhin nach Bedarf gestillt. In anderen Worten: das Baby bestimmt selbst, wann und wie die Übergänge von der Ernährung durch Muttermilch zu der durch feste Nahrung stattfinden.

Es geht auch ohne Brei – meine Erfahrung

Erst durch unser Mädchen lernte ich, dass eine Breiphase nicht zwingend notwendig ist, um Kinder an feste Nahrung heranzuführen (siehe „Einheitsbrei Beikostempfehlung“). Bis dato ein völlig unvorstellbares Konzept für mich.

Die größte Hürde ist – meines Erachtens – die eigene Unsicherheit.
Unser Mädchen nuckelte wochenlang nur an Nahrungsmitteln herum. Erst mit 7 Monaten konnte sie kleine Stücke abbeißen und schlucken. Eine Phase, die mir unendlich lang vorkam. Erst mit ca. 10 Monaten aß sie Portionen von nennenswerter Größe. Jedoch nicht zu jeder Mahlzeit und auch nicht jeden Tag. Immer wieder bezweifelte ich, dass sie irgendwann regelmäßig essen und davon satt werden würde. Da unser Mädchen die Kombination aus Stillen und fester Nahrung allerdings prima gefiel, machte ich einfach weiter.

Heute weiß ich sicher, dass diese Methode funktioniert. Ich würde es genau so wieder machen und kann Fingerfood bzw. BLW nur wärmstens empfehlen! Kinder brauchen keinen Brei. Sie brauchen weiche Nahrungsmittel, die sie gut in der Hand halten können, eine nicht versiegende Milchquelle und entspannte Eltern.

Die Vorteile von Fingerfood

Es entstehen keine Zwänge/ kein Druck
Weder beim Kind noch bei den Eltern.

Die Familie isst gemeinsam
Du kannst selber essen und bist nicht (nur) mit füttern beschäftigt.

Dein Baby kann essen, was alle essen
Natürlich die kindgerechte Variante. Es muss keine Breie essen, die sonst keiner isst.

Dein Baby lernt Nahrungsmittel in ihrer ursprünglichen Form kennen
Püriert sehen Erbsen, Bohnen und Brokkoli doch fast identisch aus…

Dein Kind lernt von Anfang an den richtigen, unverfälschten Geschmack von Nahrungsmitteln kennen
Pürierte Nahrung schmeckt anders, als unpürierte Kost. Je mehr Zutaten vermischt werden, desto schwieriger lassen sich einzelne Bestandteile herausschmecken. Selbst gekochte Breie werden außerdem oft mit Obstsäften verfeinert, welche vom eigentlichen Geschmack ablenken. Babys werden so auch bei herzhaften Gerichten auf „süß“ getrimmt. In Fertiggläschen lauern viele versteckte Zusatzstoffe wie Zucker oder künstliche Aromen – all das beeinflusst die Geschmacksentwicklung negativ.

Dein Kind entwickelt ein gutes Hunger- und Sättigungsgefühl
Wie beim Stillen nach Bedarf…

Dein Kind entwickelt ein gesundes Essverhalten

Fingerfood hält schlank
(siehe auch „Fingerfood statt Brei und Babys bleiben schlank„)

Die Hand-Mund-Koordination wird von Anfang an gefördert

Durch selbstbestimmtes Essen wird dein Baby unabhängig und selbstbewusst

Die Umstellung von Muttermilch zu Brei und von Brei zu fester Nahrung fällt weg

Es wird natürlich (allmählich) abgestillt
Das schont deinen Körper und deine Nerven!

Vorraussetzung für Baby-Led Weaning

Du

  • stillst gerne nach Bedarf
  • hast nicht das Bedürfnis schnell abzustillen
  • bevorzugst frisch gekochte und gesunde Speisen
  • bist geduldig
  • erwartest nicht von deinem Kind nach wenigen Wochen ein perfekter Esser zu sein
  • vertraust auf die Fähigkeiten deines Kindes
  • hältst es gut aus, wenn der Küchenboden aussieht wie nach einer
    (Essens-)Schlacht

Dein Kind

  • wird noch gestillt
  • stillt gerne
  • zeigt Interesse an fester Nahrung
  • ist in der Lage Nahrungsmittel zu greifen und zum Mund zu führen

BLW – Die Spielregeln

Setze dein Kind aufrecht hin
Nimm es auf den Schoß, wenn es noch nicht im Hochstuhl sitzen kann.

Lass dein Kind an den üblichen Familienmahlzeiten teilhaben
Achte aber darauf, dass dein Kind während der Mahlzeiten nicht zu müde oder zu hungrig ist. Wach und halbwegs satt wird sich dein Knirps besser auf feste Nahrung konzentrieren können.

Muttermilch ist zunächst die Hauptnahrung für dein Baby
Am Anfang untersucht dein Baby Nahrungsmittel nur und experimentiert damit (siehe auch „Mit Essen spielt man nicht! Oder doch?„). Eher zufällig wird es dabei etwas herunterschlucken. Es braucht viel Zeit, bis dein Kind richtig satt wird von fester Nahrung, deshalb solltest Du weiterhin nach Bedarf stillen.

Biete am Anfang weiches Obst und Gemüse an
Härtere Obstsorten (z.B. Apfel) und Gemüse (wie Kartoffel oder Karotten) am besten dünsten.

Biete „faustgerechte“ Stücke an
Babys greifen anfangs noch mit der ganzen Faust. Biete also Stücke an, die gut zu fassen sind.

Biete weniger feste/ flüssige Nahrungsmittel (z.B. Joghurt oder Suppe) mit einem Löffel an
So kann dein Kind lernen mit einem Löffel zu essen.

Biete gesundes Fingerfood an.
Verzichte auf gewürzte Nahrungsmittel, Fertigprodukte und Süßigkeiten.

Biete deinem Kind Wasser zu den Mahlzeiten an
Auch wenn Stillkinder nicht zwangsläufig andere Flüssigkeiten brauchen, ist es gut dein Kind an das Trinken aus einem Becher zu gewöhnen. Vielleicht lehnt es am Anfang andere Flüssigkeit als Muttermilch ab – auch hier gilt anbieten ja, einflössen nein.

Lasse dein Kind entscheiden, wie viel es essen möchte
Keine Tricks, keine Überzeugungsarbeit! Akzeptiere, wenn dein Kind sehr wenig/ nichts isst. Wenn du regelmäßig feste Nahrung anbietest & weiterhin stillst, wird sich dein Kind holen, worauf es Lust hat und was es braucht!

Lasst euch Zeit bei den Mahlzeiten
Keine Hektik, keine Eile! Dein Kind entscheidet, in welchem Tempo es ist bzw. wann es satt ist/ aufhören möchte zu essen.

Orientiere dich an deinem Kind, nicht an Regeln
Wenn es Brei mag, lass es Brei essen. Wenn es nur Fingerfood möchte, auch ok. Eine Mischform – Brei und Fingerfood – ist ebenfalls möglich, genauso wie ausschließliches stillen über das 1. Lebensjahr hinaus.
Versuche herauszufinden, welcher Weg für Dich und Dein Kind der beste ist. Probieren geht über studieren…

Abwaschbarer Fußboden/ Plastikplane
Fingerfood gibt echte Sauereien! Wenn du keinen Fliesenfußboden o.ä. hast, solltest du vielleicht eine Plastikplane unter dem Kinderstuhl ausbreiten.

Lasse dein Kind niemals unbeaufsichtigt!

Wird sich mein Baby nicht verschlucken?

Kinder verschlucken sich manchmal: Beim Stillen, beim Brei essen und auch beim Verzehr von Fingerfood. Reflexartig husten Babys in solch einer Situation. Hatte sich unser Mädchen z.B. an einem Stück Obst verschluckt, hustete sie es einfach wieder aus. Ganz wichtig: dein Kind sitzt aufrecht beim Essen und du bietest keine kleinen, harten Nahrungsmittel (z.B. Nüsse) an.

Babys schieben Nahrung außerdem erst in den hinteren Bereich des Mundes, wenn sie in der Lage sind zu kauen.[2] Das Kauen wird erst erlernt, wenn sie selbstständig Dinge greifen und in den Mund stecken können. Ein Baby, das freiwillig Nahrungsmittel zu sich nimmt, hat also die körperlichen Vorrausetzungen kontrolliert zu essen. Es verschluckt sich so wohl seltener, als ein Baby, dass Brei in den Mund geschoben bekommt.

Kauen ohne Zähne?

Babys sind sehr wohl in der Lage feste Nahrungsmittel auch ohne Zähne zu zerkleinern. Sie saugen sich entweder kleine Stückchen ab oder zermalmen größere Brocken sehr erfolgreich mit Ober- und Unterkiefer. Das dauert natürlich etwas länger und ist ein Grund, warum du dein Kind in Ruhe essen lassen solltest.

Literatur und Links

Bücher

Rapely Gill: Baby-Led Weaning: The Essential Guide to Introducing Solid Foods and Helping Your Baby to Grow Up a Happy and Confident Eater* (Das Original in Englisch)

Rapely Gill: Baby-led Weaning – Das Grundlagenbuch: Der stressfreie Beikostweg* (Die übersetze Version)

Loretta Stern & Eva Nagy: Einmal breifrei, bitte!: Die etwas andere Beikost*

Blogs

Die deutschen Blogs werden leider nicht mehr gepflegt, enthalten aber viele gute Informationen, die auch heute noch aktuell sind.

Breikasper (deutsch)

Unpüriert (deutsch)

Baby-Led Weaning (englisch)

Artikel

In diesen Artikeln findet ihr noch mehr wissenswertes zum Thema BLW:

Rapley, Gill: Guidelines for implementing a baby-led approach to the introduction of solid foods – updated, June 2008

Rapley, Gill: Leitlinien für das Beikosten nach dem “baby-led weaning Ansatz („Guidelines“ ins Deutsche übersetzt)

Zentrum der Gesundheit: Baby-Breie machen Babys dick

Marie-Christin Spitznagel: BLW – Babys breifreier Beikoststart!

Kleintjes, Stefan: Stillfreundliches Einführen von Beikost

Szabó, Kathrin: Beikost für Stillkinder

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Footnotes    (↵ returns to text)

  1.  Kleinkinder@suite101: http://suite101.de/article/blw–babys-breifreier-beikoststart-a90771#axzz2GHugF7p8
  2.  Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Baby-led_weaning#Safety
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