Wie lernen Kinder das Fahrradfahren?

Kathrin Erfahrungen 21 Kommentare

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Am Sonntag vor zwei Wochen fuhr ich mit meinem Töchterchen (gerade drei geworden) über 1,5 Stunden durch die Krefelder Innenstadt – sie auf ihrem kleinen Fahrrad und ich auf meinem Großen neben ihr her. Sie war stolz wie Oskar und ich erst. Denn dass solche ausgedehnten Radtouren mit so einem kleinen Knirps möglich sind, hätte ich nicht gedacht.

Da ich so begeistert davon bin, möchte ich euch in diesem Artikel zeigen, womit wir unser Mädchen ganz zufällig auf das Fahrradfahren vorbereiteten und mit welchen Hilfestellungen dieses Kindern fast von alleine gelingt – sofern sie Lust darauf haben.

Wie vorbereiten?

Bobby-Car

Das Bobby Car unserer Tochter.

Kindern steht heute eine große Palette an verschiedenen Fahrzeugen zur Verfügung. Das ist super, denn sie haben von klein auf einen natürlichen Bewegungsdrang und mithilfe von geeigneten Fortbewegungsmitteln (wie Bobby Car/ Pukylino*/ Dreirad*) können sie sich frühzeitig und mit Spaß an Mobilität gewöhnen.

Laufrad

Der Favorit unserer Tochter war eindeutig das Laufrad und es war gleichzeitig die perfekte Vorbereitung für das Fahrradfahren (hier mein Laufrad-Erfahrungsbericht). Das Laufrad lässt sich wesentlich einfacher beherrschen als ein Fahrrad, aber die erforderliche Körperhaltung ist ähnlich. So wird der Gleichgewichtssinn, das Lenken und das Wahrnehmen der Umgebung bei schneller Fahrt spielerisch trainiert.

Laufrad-1

Unser Pinolino Laufrad.

Tretroller

Auch Roller* können die motorischen Fähigkeiten von Kindern fördern. Unser Mädchen besitzt zwar keinen eigenen, sie durfte sich aber regelmäßig einen von ihrem Kumpel leihen. Ähnlich wie beim Laufrad schult ein Roller die Körperbeherrschung und die Reaktionsfähigkeit des Kindes.

Positiver Umgang mit Fahrrädern – Vorbild sein

Das Fahrrad ist bei uns ein wichtiges und heiß geliebtes Fortbewegungsmittel und so fuhr unser Mädchen bereits mit zehn Monaten regelmäßig in einem Fahrradkindersitz bei mir auf dem Rad mit (siehe „Erfahrungsbericht: Römer Jockey Fahrradkindersitz„). Von ihrem kleinen Thron aus konnte sie mich monatelang beim Radeln beobachten: Wie ich aufsteige, dass ich bei Rot anhalte/ in bestimmten Situationen klingele, wie ich sicher den Berg hinuntersause und so weiter. Bis sie eines Tages plötzlich selbst Fahrrad fahren wollte.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Unser Mädchen zeigte uns den Zeitpunkt ganz unmissverständlich, indem sie einige Wochen vor ihrem dritten Geburtstag täglich mehrfach und unüberhörbar bekundete, dass sie gerne ein eigenes Rad möchte.

Wesentlich wichtiger als das Alter finde ich daher die Frage, ob das Kind von sich aus Interesse zeigt und die erforderlichen körperlichen Voraussetzungen/ Fähigkeiten mitbringt:

1. Motorische Fähigkeiten

Wie schnell ein Kind das Radfahren beherrscht, hängt in erster Linie von seinem motorischen Entwicklungsstand ab. Wer durch Laufrad- oder Rollerfahren bereits ein gutes Körpergefühl besitzt, dem wird der Umstieg aufs Rad in der Regel schnell und problemlos gelingen – auch in sehr jungen Jahren.

Das Fahrradfahren ohne „mobile Erfahrung“ anzugehen ist nicht unmöglich, aber um einiges schwieriger, unabhängig vom Alter des Kindes. Es muss sich dann gleichzeitig auf sehr viel Neues konzentrieren, was mehr Geschick und Geduld erfordert.

2. Körperliche Voraussetzung

Die kleinsten Kinderfahrräder haben eine Größe von 12 Zoll und dafür benötigt das Kind eine Körpergröße von etwa 98 cm und eine Schrittlänge von circa 40 cm (siehe „Welche Größe ist beim Kinderfahrrad richtig?„).

3. Eigener Antrieb/ Motivation

Der große Wunsch unseres Mädchens war, wie gesagt, ein eigenes Fahrrad. Als sie schließlich zu Ostern (April) eins bekam und nach wenigen (kurzen) Fahrversuchen feststellte, dass das Radeln einiges an Übung und Ausdauer abverlangt, gab sie auf. Wir fragten sie regelmäßig, ob sie fahren wolle, aber sie verneinte energisch.

Sie ignorierte das Rad wochenlang bis ihr Kumpel (ein Tag jünger als sie) an seinem Geburtstag (im Juni) ebenfalls eins bekam. Diese Tatsache allein veranlasste sie das Fahrradfahren erneut in Angriff zu nehmen. Während ihr Freund vor ihren Augen auf und ab düste, übte sie ausdauernd. Und nach wenigen Versuchen fuhr sie allein.

4. Kein übertriebener Ehrgeiz seitens der Eltern

Für mich war es wichtig, dass unser Mädchen bestimmt, wann sie bereit ist. Fahrradfahren soll Spaß machen und mir war es egal, ob sie mit drei, vier oder fünf Jahren in die Pedalen tritt. Wir boten ihr regelmäßig Übungsstunden an, aber drängten sie nicht.

Das Kinderfahrrad (Spielfahrrad)

Welches Fahrrad?

Da die Großeltern das Fahrrad für unser Mädchen besorgten, setzte ich mich nicht intensiv mit dieser Frage auseinander. Jedoch nahm ich einige Räder (in Parks usw.) unter die Lupe und stellte fest, dass all die kleinen Velos (egal ob Puky* , Hello Kitty* oder No-Name) allesamt extrem schwer sind. Meiner Meinung nach zu schwer für Kinder in dem Alter.

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Unser Hello Kitty Fahrrad – Oma legte Wert auf ein Körbchen und einen Sitz für die Puppe. Ich kann das Rad allerdings nicht empfehlen, da die Vorderradbremse nicht funktioniert, der Lack bereits abblättert und die Schrauben rosten.

 Alle 12-18 Zoll großen Kinderfahrräder werden nach DIN 79110 verkehrsrechtlich als „Spielzeug“ eingestuft. Daher auch die Bezeichnung „Spielfahrrad“. 

Obwohl ich mich nicht mit verschiedenen Rädern im Detail auseinandersetzte, gibt es ein paar allgemeine Eigenschaften, die ein sogenanntes Spielfahrrad aufweisen sollte.

Eigenschaften

Hier die wesentlichen Qualitäts- und Sicherheitskriterien an ein 12-18 Zoll großes Kinder- bzw. Spielfahrrad:

  • Rücktritt- und (funktionierende und bedienbare) Vorderrad-Felgenbremse
  • Rahmen mit tiefem Ein-/ Durchstieg (leichterer Aufstieg – Absprung)
  • Ausreichender Verstell-Bereich für Sattel und Lenkerhöhe
  • Geschlossener Kunststoff-Kettenkasten
  • Reifenbreite 47 mm/ 1,75 Zoll
  • Nicht erforderlich: Lichtanlage
  • Nicht sinnvoll: Gangschaltung

(Genaue Erläuterungen zu den einzelnen Punkten findet ihr hier: „Wichtige Eigenschaften des ersten Kinderfahrrads“)

Einstellung von Sattel und Lenker

Bei der optimalen eingestellten Sattelhöhe, kann das Kind auf dem Sattel sitzend mit den Fußspitzen den Boden berühren und das Fahrrad sicher halten. Dieser stabile Bodenkontakt ist nötig für das selbstständige Auf- und Absteigen.
Der Lenker muss außerdem höher sein als der Sattel, damit das Kind aufrecht sitzt und gut sehen kann.

Mit oder ohne Stützräder?

Stützräder sind beim Fahrradfahren lernen eher nachteilig, denn sie vermitteln Kindern und Eltern ein falsches Sicherheitsgefühl. Wenn Kinder beim Radeln von einer Seite auf die andere kippen, dann aber von den Stützrädern gehalten werden, lernen sie nicht, das Gleichgewicht zu halten.

Das können wir aus eigener Erfahrung bestätigen. Das Fahrrad unseres Mädchens war ursprünglich mit Stützrädern ausgestattet und gemeinsam mit den Großeltern unternahm sie so ihre erste kleine Radtour. Dieser kurze Trip ließ sie sofort vergessen, was sie monatelang auf dem Laufrad trainiert hatte. Denn als wir die Stützräder abmontierten, lehnte sie sich beim Fahren weit nach außen – offensichtlich auf der „Suche“ nach der Stütze von unten.

Aber fast noch schlimmer war, dass sie sich direkt an die bequemen Stützräder gewöhnt hatte und gar nicht mehr ohne fahren wollte. Sie weinte furchtbar, als wir die Stützräder abmontierten und schlug mürrisch einen großen Bogen um das Rad (siehe oben Punkt 3 Eigener Antrieb). Das tat mir unendlich leid, wir fühlten uns wie furchtbare Rabeneltern, waren uns aber einig, dass die Stützräder kontraproduktiv sind und wegbleiben.

Denn wer mit Stützrädern fahren lernt, muss irgendwann das Radfahren ohne Stützräder neu lernen. Und zwar völlig egal wie gut das Laufrad- bzw. Rollerfahren vorher klappte. Dann lieber ein bisschen länger mit dem Übergang von Laufrad auf Fahrrad warten und direkt richtig Radeln lernen.

Helm

Ein Fahrradhelm ist wichtig, um die kleinen Fahranfänger vor schwerwiegenden Kopfverletzungen zu schützen.
Vor zwei Jahren kaufte ich unserer Tochter für unsere gemeinsamen Touren auf meinem Rad einen verstellbaren Uvex Kinderhelm*, der bereits ab einem Kopfumfang von 46 cm passt. Sie trug diesen Helm dann beim Laufrad- und nun beim Fahrradfahren. Wir sind noch nicht bei der größten Einstellung angelangt, können ihn also eventuell noch eine dritte Saison nutzen. Er passt, sieht noch gut aus und ich kann ihn definitiv weiterempfehlen.

Weitere gute Kinderfahrradhelm-Marken sind Limar*, Prophete*, ABUS* und KED* (siehe auch „Fahrradhelmtest 2014“). Da ein Helm allerdings nicht nur schick aussehen, sondern auch gut passen sollte, empfiehlt sich im Zweifelsfall eine Beratung im Fahrradfachgeschäft.

Fahrradfahren lernen: Schritt für Schritt 

Anfangs halfen wir unserem Mädchen beim Anfahren und hielten sie auch während der Fahrt hinten an der Jacke/ Weste fest. So konnten wir gut zupacken, wenn sie das Gleichgewicht verlor und den Griff lockern, sobald sie sicherer wurde. Nach kurzer Zeit legte ich nur noch meine Finger leicht auf ihren Rücken, damit sie spürte, dass ich da bin. Bis sie sagte „Ich kann das schon alleine, Mama!“

Ich fand es interessant zu beobachten, dass sie sich jeden Bewegungsablauf einzeln vornahm. Sie konzentrierte sich zunächst auf das Treten und Spur halten. Als sie halbwegs sicher fahren konnte, traute sie sich selbstständig anzufahren. Und letztendlich übten wir das Bremsen mit Rücktritt, denn um anzuhalten ließ sie für gewöhnlich ihre Beine schleifen wie sie es vom Laufrad gewöhnt war. Jeder Schritt erfolgte an einem anderen Tag.

Ermutigen, ohne zu überfordern

Als wir nach Ostern unsere ersten Fahrversuche (ohne Stützräder) starteten, redete ich unserem Mädchens gut zu und ermunterte sie das Fahrradfahren ohne Stützräder (wie die Großen) zu probieren. Sie kippte jedoch stets zur Seite weg und hatte nach wenigen Minuten keine Lust mehr, egal wie gut ich ihr zuredete. Ein sicheres Zeichen für mich, das Ganze abzubrechen.

Der zweite Anlauf im Juni brachte bereits nach kurzer Zeit die ersten selbstständigen Fahrerfolge. Obwohl sie noch sehr unsicher durch die Gegend eierte, spürte sie, dass es vorwärts geht und war entsprechend motiviert. Wir freuten uns Beide wie Bolle und ich kommentierte ihren Fortschritt natürlich laut. Diesmal fühlte sie sich angespornt und übte fleissig weiter.

Ab wann im Straßenverkehr?

Für Fahranfänger eignen sich natürlich am besten verkehrsfreie und gut überschaubare Plätze. Nur gibt es davon bei uns vor der städtischen Haustür leider nicht so viele. Damit unser Mädchen auf ruhigen Parkwegen fahren kann, muss ich diese erst mit dem Auto ansteuern. Ein Aufwand, den ich nicht immer gewillt bin zu betreiben.

Sehr oft starten wir deswegen direkt vor unserem Haus. Unser Mädchen fährt auf den Gehwegen und ich laufe/ mittlerweile fahre ich neben ihr her. An Kreuzungen steigt sie ab und schiebt das Rad auf die andere Seite. Diese Stadttouren klappen allerdings nur, weil sie bisher immer anhielt, wenn ich laut „Stopp“ oder „Halt“ rief. Sie befolgt meine Anweisungen sehr zuverlässig und so fühlt es sich gut und sicher an, mit ihr durch Krefelds Straßen zu radeln.

Alleine kann sie den Straßenverkehr noch lange nicht überblicken. Da Thomas oder ich jedoch stets an ihrer Seite sind und sie auf brenzlige/ gefährliche Situationen (z.B. Straßenlaterne, die sie anpeilt, weil sie einem Hund hinterherschaut) hinweisen, kann sie sich so auf das Fahren konzentrieren und allmählich das richtige Verhalten im Straßenverkehr lernen. Bis sie in der Lage ist, sich ganz alleine im Straßenverkehr zu bewegen, vergehen sicherlich noch ein paar Jährchen. Für mich ist es jedoch schön zu sehen, dass sie sich so angstfrei und selbstverständlich auf ihrem kleinen Velo durch die Stadt bewegt.

Schlussgedanke

Es gibt viele Wege, um Kinder an das Fahrradfahren heranzuführen und ich bin erstaunt wie schnell die kleinen Racker heutzutage mobil werden. Unsere Erfahrung zeigt, dass das Laufrad eine ideale Vorbereitung für das Fahrradfahren darstellt. Die Kinder in unserem Umfeld zeigen jedoch, dass das Interesse an Fortbewegungsmitteln in ganz unterschiedlichem Alter entfacht. Manche greifen sofort, was sie bekommen und rollen los. Andere warten skeptisch lieber noch ein paar Monate ab.

Ich bin gespannt, ob unser zweiter Nestling in die Fußstapfen seiner flotten Schwester tritt oder ob er sich mehr Zeit lässt. Wir werden ihm jedenfalls – genau wie bei unserem Mädchen – die Möglichkeit bieten, rollend die Welt zu erkunden. Was er daraus macht, überlassen wir ihm.

Eure Kathrin

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