Warum Stillen per Gesetz keine Lösung ist!

Kathrin Familie 20 Kommentare

Eine Neuigkeit sorgt derzeit für heftige Diskussionen:
„In den Vereinigten Arabischen Emiraten haben Neugeborene seit dieser Woche ein Anrecht auf Muttermilch: Ihre Mütter sind per Gesetz dazu verpflichtet, sie zwei Jahre lang zu stillen.“
(siehe: „Abu Dhabi verpflichtet Frauen zu zwei Jahre Stillen“)

Diese Nachricht wühlt mich auf.

Ja, ich freue mich über jedes Kind, das Muttermilch erhält und als Stillberaterin gebe ich mein bestes, um Müttern das Stillen bzw. die Vorteile von Muttermilch schmackhaft zu machen.

Als Stillberaterin weiß ich allerdings auch, dass nicht bei jeder Frau das Stillen so läuft, wie sie es sich wünscht. Nicht jeder Stillwunsch führt zu einer erfüllten Stillbeziehung.

Das ist hierzulande schon stressig genug: Sowohl die eigenen als auch die gesellschaftlichen Erwartungen führen nicht selten zu Schuld- und Versagensgefühlen. Schließlich hat eine „gute“ Mutter in Deutschland ihr Baby in den ersten Lebensmonaten zu stillen, so die gängige Meinung.

Stillzwang nach Vorschrift setzt dem ganzen noch eins drauf. Wie soll eine Frau die ersten Stunden als Mutter genießen können, wenn sie unter solch enormen Leistungsdruck steht? Wie soll eine Frau sich unbeschwert auf ihr Kind einlassen können, wenn sie Gefahr läuft durch ihre „Unfähigkeit“ das Gesetz zu brechen?

Menschliche Körper sind keine Maschinen, die per Knopfdruck funktionieren. Das gilt für Babys (siehe Warum Babys nicht durchschlafen) als auch für stillende Mütter (siehe Stillen ist Kopfsache).

Im Gegenteil, vor allem bei Erstlingsmamas ist Selbstbewusstsein, Ruhe und Gelassenheit gefragt, damit das Stillen gelingen kann. Angst und Stress können den Milchspendereflex- und damit auch den Milchfluss blockieren (siehe: „Milchbildung„). Im schlimmsten Fall wird also genau das Gegenteil erreicht.

„Für den Fall, dass eine Frau aus körperlichen Gründen nicht stillen kann, soll zudem die Nutzung von Ammen finanziert werden.“ heißt es weiter im Artikel.

Allein die Vorstellung, dass ich mein Kind einer anderen Frau in die Hände (an die Brust) geben muss, weil ich es nicht geschafft habe zu stillen, macht mich wahnsinnig. Wie muss es den Müttern gehen, denen genau diese Situation bevorsteht?

Es ist bekannt, dass sich eine tragfähige Mutter-Kind-Bindung auch dann entwickeln kann, wenn ein Baby künstliche Säuglingsnahrung erhält. Sie entsteht nicht nur durch das Trinken an der Brust, sondern gleichermaßen durch liebevolle Zuwendung und Nähe. Das Stillen durch eine Amme jedoch stört diesen sensiblen Bindungsaufbau. Je nachdem wie intensiv und lange das Baby gestillt wird, sogar erheblich. Wie soll eine Mutter das aushalten?

Aber nehmen wir mal an, alle arabischen Mütter schaffen es trotz Auflage ihr Kind an der Brust zu nähren. Wie gestaltet sich die weitere Stillbeziehung? Immerhin müssen Mutter und Kind nun zwei Jahre durchhalten. Was, wenn das Kind sich vor der zwei Jahresfrist abstillt? Weil es nicht mehr mag? Weil es den Druck der Mutter spürt? „Kinder sind empfänglich für den Gefühlszustand ihrer Mutter und trinken bei negativen Schwingungen schlechter oder gar nicht an der Brust“ (siehe: „Stillen ist Kopfsache„).

Mal ganz davon abgesehen, wird Frauen das Recht an ihrem eigenen Körper abgesprochen. Nun, andere Länder, andere Sitten.Und dass die Vereinigten arabischen Emirate nicht besonders frauenfreundlich eingestellt sind, ist auch kein Geheimnis (siehe „Menschenrechte in den Vereinigten Arabischen Emiraten„). Dafür erhalten arabische Kinder nun ihr Recht auf Muttermilch, was grundsätzlich gut und wünschenswert ist. Aber so? Ich weiß nicht…

Mütter und Kinder derartig zu ihrem Still-Glück zu zwingen, erscheint mir nicht der richtige Weg. Stillen soll eine positive Erfahrung sein – für beide Seiten, denn Stillen ist weit mehr als nur Ernährung.

Wie bereits gesagt, hinterlässt eine derartige Vorschlaghammer-Methode ihre Spuren. Es wird Mütter geben, die gegen ihren Willen stillen müssen. Mütter, die es krampfhaft versuchen werden, aber nicht schaffen. Kinder, die sich genötigt fühlen…

Aber wer weiß, vielleicht kann dieses Gesetz ja auch positives bewirken. Vielleicht kann es beispielsweise dazu führen, dass Mütter mit Stillabneigung plötzlich die schönen Seiten des Stillens entdecken. Oder Langzeitstillen zur Normalität wird. Das wird sich allerdings erst zeigen.

Meiner Erfahrung nach, brauchen einige Mütter tatsächlich einen Schubs in die „richtige“ Richtung. Allerdings bin ich für sanftere, menschenwürdige Methoden. Ob das in den Vereinigten Emiraten (jetzt noch) möglich ist, wage ich zu bezweifeln. Aber vielleicht gelingt Deutschland dahingehend eine positive Entwicklung.

Um Kindern ihr Recht auf Muttermilch einzuräumen, wünsche ich mir beispielsweise, dass jede werdende Mutter vor der Geburt ein „Still-Beratungsgespräch“ erhält. Damit bei Bedenken oder einer vehementem „Antistill-Einstellung“ geschaut werden kann, wo die Ursachen liegen. Oft sind es falsche Vorstellungen vom Stillen oder Ängste, die sich durch gute Aufklärung beseitigen lassen.

Ich wünsche mir, dass jede Mutter eine intensive Betreuung nach der Geburt erhält. Und damit meine ich nicht nur eine Stillberaterin, die schaut, ob das Kind gut trinkt, sondern eine Rundumversorgung, so dass sich Frauen zumindest ein paar Tage nur auf sich und ihr Kind konzentrieren können.

Ich wünsche mir, dass Partner (und enge Familienangehörige) vor der Geburt von Fachkräften über die Vorteile des Stillens für Mutter und Kind aufgeklärt werden. Studien belegen, dass Mütter ihre Entscheidung zu stillen von der Einstellung des Mannes/ der Familie abhängig machen (siehe „Moderne Väter füttern nicht“).

Ich wünsche mir öffentliche (diskrete) Stillmöglichkeiten, damit Stillende sich nicht mehr verstecken müssen und Stillen über den 6. Lebensmonat hinaus normal wird.

In diesem Zusammenhang wünsche ich mir, dass (langzeit-)stillende Mütter, mehr positiven Zuspruch erhalten. Bei diesem Punkt kann sich jeder selbst einmal fragen, wie er Frauen, die zwei Jahre und länger stillen, gegenüber steht.

Ich wünsche mir weniger irreführende Werbung für künstliche Säuglingsnahrung. Es ist gut, dass es Kunstmilch gibt, es darf aber nicht der Eindruck entstehen, sie sei genau so gut oder gar besser als Muttermilch. Das gleiche gilt natürlich auch für Fertignahrung aus dem Glässchen.

Ich wünsche mir Unterstützung und Aufklärung statt Druck und Zwang. Denn ich bin überzeugt, dass mehr Frauen (länger) stillen, wenn sie anhand von Fakten und Tatsachen selbst entscheiden können. Wenn sie nicht genötigt werden…

Das sind meine Gedanken zu dem Thema und nun seid ihr dran.
Was haltet ihr vom Stillen per Gesetz? 

Eure Kathrin

 

 

 

 

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