Kindergarten U3 – Teil 4: Das Ende vom Kindergartenlied

Kathrin Erfahrungen 31 Kommentare

Ich will nicht lang um den heißen Brei herum reden: Wir haben den Kindergartenplatz für unser Mädchen am Montag gekündigt. Während der zweiwöchigen Eingewöhnungsphase reagierte sie so gestresst auf die Trennungsversuche, dass Thomas und ich beschlossen sie nicht unnötig zu quälen.

Am Montag gab es außerdem ein klärendes Gespräch mit Marie, unserer Erzieherin, denn alle Beteiligten fühlten sich unwohl nach dieser Eingewöhnung. Unser Mädchen fand Marie voll blöd und begrüßte sie mit einem heftigen Kopfschütteln und Stirnrunzeln. Sie konnte ja nicht wissen, dass wir nur reden wollten. Marie wiederum glaubte, dass wir ihr nicht vertrauten und an ihrer Kompetenz zweifelten, obwohl sie natürlich versuchte ihr Bestes zu geben. Tja, und unser Mädchen so in den Armen einer anderen Person leiden zu hören (sehen konnten wir sie ja nicht während der Trennungsversuche), machte Thomas und mir nachhaltig schwer zu schaffen.

Schockerlebnis Kindergarten

Bereits in einem anderen Artikel (Frühe Fremdbetreuung – eine kritische Sichtweise) habe ich meine Zweifel bezüglich der frühen Fremdbetreuung von Kindern geäußert und kann sie an dieser Stelle nur noch einmal unterstreichen. Kleinkinder reagieren mit Stress auf Kindergartenaufenthalte (je jünger, desto schlimmer) und haben weder das Sprach- noch das Zeitverständnis, um zu begreifen warum sie allein gelassen werden. Kinder unter zwei Jahren verstehen kaum, dass Mama nur arbeiten gegangen ist – sie könnte genau so gut für immer verschwunden sein.

Eine frühe Trennung ist in jedem Fall ein Schockerlebnis, welches eine schonende Eingewöhnung wie bei dem Berliner Modell nur mildern, aber nicht verhindern kann. Kleinkinder geraten in Panik, Mütter auch, denn es ist uns Menschen unmöglich unsere „evolutionär innewohnende Trennungsangst“ einfach abzustreifen. Kinder, die es nicht schaffen den ganzen Tag tapfer und ohne weinen auszuharren, gelten fatalerweise als verwöhnt oder verweichlicht. Besorgte Mütter (so wie ich) werden in Trennungssituationen gerne als übervorsichtig bezeichnet, als Glucken, die nicht loslassen können. Und dabei reagieren beide Seiten völlig natürlich.

Von mir aus kann unser Mädchen ein Weichei sein und wir verzärtelnde Übereltern, sie muss nicht das erleben, was ich bei den bereits eingewöhnten Kindern während der Eingewöhnungszeit beobachtete. Auch wenn die wenigen Stunden, die ich dort verbracht habe nur ein verhältnismäßig kleines Zeitfenster darstellten, kann mir keiner weismachen, dass die weinenden Kinder, die auch z.T. mit Schnuller nur schwer zu beruhigen waren und mit hängendem Kopf durch die Einrichtung liefen, sonst super glücklich sind. Jeder litt unter der Trennung – der eine mehr, der andere weniger, aber jeder auf seine traurige Weise.

Interessenkonflikt Kindergarten

Marie gab uns zu verstehen, dass Trennungsschmerz dazu gehöre und sie hat Recht, wenn man davon ausgeht, dass Kinder nach zwei Wochen eingewöhnt sein sollen. Um dieses Ziel zu erreichen müssen Mutter und Kind abgehärtet werden. Mütter versuchen sich oft schon Wochen im Voraus gedanklich auf diese Trennung vorzubereiten und die Abhärtung der Kinder übernehmen dann die Erzieher. In unserer Einrichtung habe ich mitbekommen, dass Kinder manchmal deutlich hörbar (über ein Babyphone) schrien, aber die Erzieher scheinbar gelassen noch ein paar Minuten verstreichen ließen. Ich möchte keine Absicht unterstellen, zu Stoßzeiten und bei Personalmangel ist es sicher nicht vermeidbar, dass die Bedürfnisse der Kindern im Trubel untergehen. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass Kinder, die man schreien lässt, irgendwann aufgeben zu rufen. Sie resignieren – das ist nur eine Frage des Trainings. Obwohl das unter keinen Umständen gut ist, („Kinder wie Erwachsene weinen, um sich mitzuteilen, um Hilfe zu erbitten“) gelten Kinder, die nicht mehr weinen in vielen Kindergärten als „gut eingewöhnt“.[1] Gefasste Kinder sind gefragt, da sie eine geringere Ansteckungsgefahr für die ganze Gruppe darstellen. Denn weint ein Kind, weinen die anderen meist mit.

Wir ließen unser Mädchen nie lange alleine weinen, weil sie immer einen Grund hat, wenn sie weint. Von Anfang an legten wir Wert darauf, auf ihre Signale zu hören und auf sie einzugehen, so dass wir jetzt nicht, nur weil Kindergartenzeit ist, alles über den Haufen werfen können. Wenn sie müde oder krank ist, zahnt oder im Wachstumsschub steckt, beruhigt sie sich am Besten an der Brust oder im Tragetuch. Ich kann von der Einrichtung natürlich nicht erwarten, unserem Mädchen immer eine Sonderbehandlung zu gewährleisten. In sensiblen Phasen könnte sie also eines der Kinder sein, dass deutlich über das Babyphone zu hören ist, ohne dass jemand reagiert. Diesen Gedanken verkrafte ich nicht.

Ich verstehe, dass in einer Kindertagesstätte auch die Kleinsten nach gewissen Regeln und Strukturen leben müssen, damit der Alltag reibungslos vonstatten gehen kann. Mir ist es allerdings lieber, wenn unser Mädchen weiterhin authentisch ihre Bedürfnisse und Gefühle äußert, als dass sie lernt sich zu kontrollieren und zu funktionieren.

Außerdem braucht unser Mädchen eine verlässliche Bezugsperson, an die sie sich wenden kann, wenn Thomas oder ich nicht da sind. Das kann mir der Kindergarten nicht garantieren. An zwei Tagen in der Woche arbeitet Marie im Spätdienst. Sie wird manchmal im Urlaub sein oder im Krankheitsfall zu Hause bleiben. Selbst wenn ich Marie vertraue und unser Mädchen sie akzeptiert, bleibt unklar, wie sie auf wechselnde Bezugspersonen reagiert. Mir wird es nicht gelingen unser Mädchen zurückzulassen ohne die 100%ige Gewissheit zu haben, dass sie gut aufgehoben ist. Und ob es ihr wirklich gut geht, lässt sich schwer herausfinden, solange sie noch nicht sprechen kann.

Plan B

Das Fehlen einer Großfamilie/ das Fehlen von Verwandten mit Tagesfreizeit zwang und zwingt uns auch weiterhin über Betreuungsalternativen nachzudenken. Wie auch bei anderen Themen (z.B. Kinderbett, Beikost) orientieren wir uns zunächst an der Masse, um festzustellen, dass wir es doch ganz anders machen müssen…

Noch eilt es nicht mit einer Betreuung für unser Mädchen, noch kann ich mit ihr zu Hause bleiben. Aber es wäre beruhigend eine „Ersatzmama“ gefunden zu haben, bevor ich wieder arbeiten muss. Ich würde sie so gerne ganz sanft mit neuen Bezugspersonen vertraut machen und ihr die Zeit geben, die sie braucht um sicher zu landen. Wenn nötig, begleiten wir sie auch gerne mehrere Wochen, damit sie sich allmählich in ihrem Tempo von uns lösen kann und weitere Bezugspersonen akzeptiert.

In einer Woche habe ich einen Beratungstermin beim Jugendamt, weil ich mich gerne über Tagesmütter informieren möchte. Diesen Tipp habe ich von den Müttern meiner Stillgruppe erhalten, die ich nun regelmäßig besuche. Vielleicht finden wir eine Person mit viel Herz, die unsere Vorstellungen von Kindererziehung teilt und individuelle Vereinbarungen (was z.B. das Schlafen oder die Abholzeiten anbelangt) toleriert. Vielleicht ist das Tagesmuttermodell aber genau so problematisch. Sollte ich wieder auf der Suche nach etwas sein, dass es in unserer Welt nicht gibt, muss Plan C her….

Mein Wunsch für die Zukunft?

Ich fände es grandios, wenn Mütter tatsächlich eine Wahl erhielten, zwischen Arbeit und Kind, denn nur wer wirklich frei wählen kann, ist glücklich. Für Frauen, die es kaum erwarten können ihren Beruf wieder aufzunehmen, ist die Unterbringung der Kinder in Tageseinrichtungen wichtig und gut. Frauen, die sich eingesperrt und in eine Rolle gezwängt fühlen, können sich nur schlecht auf ihre Kinder einlassen. Mütter dagegen, die sich gerne um ihren Nachwuchs zu kümmern, sollten die Möglichkeit erhalten, etwas länger aus dem Berufsleben auszutreten. 100 Euro Betreuungsgeld, die ab 2013 gezahlt werden sollen, sind zwar ein netter Bonus, aber für die meisten Familien keine finanzielle Grundlage, um eine Verlängerung der Elternzeit ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Ein Kindergartenplatz, der mit bis zu 1000 Euro im Monat subventioniert wird, ist dagegen für fast jeden Haushalt erschwinglich.[2]

Ich wünsche mir, dass sowohl Karrierefrauen als auch Hausfrauen ihre Berechtigung und Anerkennung in unserer Gesellschaft finden. Eine strikte Trennung und damit verbundene Engstirnigkeit, ist völlig unnötig und in meinen Augen Energieverschwendung. Es muss doch einen Weg geben, Möglichkeiten zu schaffen, die jeder Frau und Mutter zu einer optimalen Lösung für sich und ihrer Familie verhelfen. Doch wo kein Wille ist, gibt es bekanntlich auch keinen Weg.

 

 

 

 

 

 

Footnotes    (↵ returns to text)

  1. González, Carlos: In Liebe wachsen (2005), S. 117.
  2. Hable, Silvia: „Ran an die Arbeit“ in Unerzogen (2/2012) S. 10-24.
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