Good Bye Amerika? Von Nachbarn, der Präsidentschaftswahl und Auswanderungsplänen

Kathrin New York 2 Kommentare

Gestern Abend habe ich mich lautstark mit einem irren, pensionierten Sonderpädagogen Nachbarn gestritten, der schon seit Wochen unsere Mülltonnen wegschiebt – etwa 20 Meter weiter und zwar genau da hin, wo sie seinen schrägen Theorien nach hingehören. Er wollte mich dann gestern im Dunkeln und bei strömenden Regen erneut belehren, ohne mich zu Wort kommen zu lassen („Ich habe Sie doch gar nicht aufgefordert zu reden!“), da platzte mir der Kragen.

Schon kurz nach dem Streit ärgerte ich mich, dass ich die Beherrschung verloren und ihn angebrüllt hatte. Das änderte nämlich nichts, außer dass ich jetzt auch noch eine „hysterische Kuh“ für ihn bin, unser Mädchen weinte und ich so voll gepumpt war mit Adrenalin, dass ich Bauchweh bekam. Unsere Tonnen wird er ganz sicher weiterhin verschleppen…

Aber der langwierige Ärger mit unseren direkten Nachbarn („Was tun, wenn die Nachbarn sich ständig über Kinderlärm beschweren“) und die Tatsache, dass ich doch einfach nur in Frieden leben und mich nicht wegen solcher Nichtigkeiten mit völlig fremden Menschen anlegen will, hat mich wohl sehr empfindlich reagieren lassen. Leider!

Vielleicht ist es doch gut, dass wir bald nach New York ziehen!?“ dachte ich gestern noch, während ich tief ein- und ausatmete, damit sich meine Anspannung löst. Von der spießigen und kleinkarierten Wohngegend hier habe ich jedenfalls mehr als genug.

Visumantrag für Amerika läuft

Thomas arbeitet ja schon seit vielen Monaten für ein New Yorker Unternehmen und nach unserem 5-wöchigen Aufenthalt im „Big Apple“ entschlossen wir uns, ein amerikanisches Visum zu beantragen. Es ist Thomas’ Herzenswunsch mit seinen Kollegen gemeinsam in einem realen Büro und nicht nur via Internet zu arbeiten – da zu sein, wo er beruflich so dringend gebraucht wird. Deshalb unterstütze ich ihn dabei, obwohl ich riesigen Bammel vor einer Auswanderung habe und es mir emotional sehr schwer fallen wird, alles zurückzulassen.

Laut Zeitplan sollten wir jetzt schon einen Bescheid in den Händen halten, aber auf die meistgestellte Frage, die derzeit an mich gerichtet wird „Und gibt es schon Neuigkeiten, was das Visum anbelangt?“ kann ich derzeit leider nur mit einem Schulterzucken antworten. Wir wissen leider immer noch nicht, woran wir sind.

Für den Antrag musste Thomas nämlich etliche Referenzen sammeln, die bescheinigen, was für ein toller Hecht er ist, aber das Schreiben und Besorgen dieser dauerte viel länger als erwartet. Außerdem kooperierten die Anwälte, mit denen wir zusammenarbeiten nicht so schnell wie erhofft, was uns langsam mürbe macht. Vor allem, weil das Mädchen 2017 eingeschult wird, da wäre es allmählich gut zu wissen wo!

Ändert der Ausgang der Präsidentschaftswahl etwas an Eurer Entscheidung?

Bereits im Sommer wurden wir mehrfach gefragt, ob wir auch auswandern würden, wenn Trump an die Macht käme. Darauf wussten wir keine konkrete Antwort und um ehrlich zu sein, konnte ich mir damals einfach nicht vorstellen, dass Trump den Sieg einfährt, weswegen sich eine Antwort aus meiner Perspektive erübrigte.

Als ich dann heute Morgen im Bett das Wahlergebnis auf meinem Handy sah, war ich sofort hellwach und mein Magen zog sich genau so fest zusammen wie am Abend zuvor bei dem furchtbaren Streit mit dem „Tonnen-Nachbarn“. „Das ist doch unmöglich! Oder?“

Thomas und ich, wir besprachen die Lage bestürzt am Frühstückstisch und unser Mädchen (5 Jahre) wunderte sich über unsere betretenen Mienen. „Nun, in Amerika gibt es so etwas wie einen König (den kennt sie aus Märchen) nur heißt der Präsident. Heute wurde ein neuer Präsident in Amerika gewählt und der ist kein guter Mensch!“ versuchte Thomas zu erklären.

Mir war nach Heulen zumute und auch Thomas war am Boden zerstört. „It seems (my illusion of) America died over night.“ las ich auf seiner Facebookseite. Da hörte ich mich sagen: „Wir lassen den Antrag für das Visum laufen. Gib Deinem Chef Bescheid, dass sie endlich mal in die Pötte kommen sollen. Wenn wir das Ergebnis haben, sehen wir weiter. Schritt für Schritt war doch unser Grundgedanke bei diesem Vorhaben!“

Niemand kann in die Zukunft sehen

Die Mehrheit der Amerikaner hat sich für Trump entschieden. Das ist bedauerlich und äußerst beunruhigend, aber bei dem Mangel an brauchbaren Alternativen vielleicht sogar ein Stück weit verständlich.

Im Moment ist wohl keinem klar, welche Konsequenzen dieses Wahlergebnis nach sich zieht. Es ist so ziemlich alles möglich. Vielleicht ein katastrophaler Supergau. Oder auch nichts.

Wir möchten uns jedenfalls nicht aufgrund unserer Vorstellung von der Zukunft für oder gegen etwas entscheiden. Sollte unser Visumantrag genehmigt werden, dauert es ja eh noch mindestens 3-4 Monate, bis wir Abmarschbereit sind. Bis dahin ist dann eventuell auch schon eine politische Tendenz (verschärfte Einwanderungsbestimmungen usw.) erkennbar und wir können unsere Entscheidung noch einmal überdenken, falls nötig. Ansonsten bleibt alles wie gehabt.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Verbohrte, penetrante Neunmalschlaue wie unsere Nachbarn gibt es wahrscheinlich überall auf der Welt und gestern habe ich mir geschworen, mich nie mehr so aus der Fassung bringen zu lassen. Lieber wähle ich die Strategie von Vera Birkenbihl und grinse eine Minute lang wie ein Vollidiot (Anleitung dazu unbedingt im Video unten anschauen), bevor ich mich nochmal wegen Belanglosigkeiten unnötig aufrege. Gelegenheiten zum Üben bietet der gefrustete Durchschnittskrefelder übrigens leider an fast jeder Ecke.

Und obwohl ich bei weitem nicht so enorm gläubig bin, wie der neue, amerikanische und völlig unberechenbare Präsident es von sich behauptet, habe ich heute eine Kerze angezündet und gebetet. Dafür das Brücken entstehen und keine Maurern.

Eure aufgewühlte Kathrin

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