Countdown Auswandern: Noch eine Woche bis New York

Kathrin New York 3 Kommentare

Noch sieben Mal schlafen, dann geht es los. Ich bin furchtbar aufgeregt und das Denken fällt mir allmählich schwer. Dazu kommt dieser Klumpen in meinem Bauch. Der fühlt sich an wie ein Wackerstein, der meinen ganzen Körper lähmt. Echt schwierig in Worte zu fassen, was da gerade in mir passiert.

Kein Hauptwohnsitz in Deutschland

Rückblick: Das Warten auf den Mietvertrag

Letzten Donnerstag war der längste Tag meines Lebens. Zumindest gefühlt. Das war ja der Tag, an dem unser Makler uns den Mietvertrag schicken sollte und so checkte ich von 6.30 Uhr morgens an im Zwei-Minuten-Takt mein Postfach. Am späten Nachmittag erhielt ich endlich eine Mail von ihm, allerdings nicht mit dem heiß ersehnten Vertrag, sondern mit einem neuen Mietangebot!

Obwohl ich ahnte, dass es sich um ein automatisches Update handelt, wurde ich irre nervös. Superwoman (siehe „Noch zwei Wochen bis New York“) konnte den Makler auch nicht erreichen – nicht mal telefonisch – und so krabbelte ich gegen Mitternacht ohne positive Nachricht und sehr niedergeschlagen ins Bett.

Die Erlösung in Form einer Mietvertrag-PDF folgte glücklicherweise Freitagmorgen gegen 4.30 Uhr (22.30 Uhr amerikanische Zeit). Der Moment, in dem mir trotz entsetzlicher Müdigkeit nach riesigen Freudensprüngen zumute war. Wir hatten den Mietvertrag und unterzeichneten ihn flugs. Kurz darauf erhielten wir eine vom Vermieter unterschriebene Kopie und von da an war unsere Unterkunft endlich in trockenen Tüchern.

Planänderung: Krankes Kind

Freitagabend stellte sich dann heraus, dass es dem Bub ganz und gar nicht gut geht. Er hatte den Nachmittag mit seiner Omi verbracht, damit ich in aller Ruhe die Bude auf den Kopf stellen konnte. Gegen 18 Uhr war er total fix und alle auf der Fahrt nach Hause im Auto eingeschlafen und wollte auch bei der Ankunft nur noch ins Bett, wo er unruhig weiterschlummerte. Super seltsam und ungewöhnlich.

Der Grund dafür zeigte sich am Wochenende: Er hatte immer wieder leichte Fieberschübe und fühlte sich schlapp wie ein Schlammlappen. Statt mich um das finale Entrümpeln des Hauses zu kümmern, versorgte ich den kleinen Kerl. Mit einem tiefen Seufzer viel Nähe und meiner Milch. Ganz klar.

Nestling

In der Nacht von Samstag auf Sonntag haben der Bub und ich fast fünf Stunden lang Musik gehört, weil er nicht schlafen konnte. Als er begann vor Schmerzen („Aua Ohr“) zu weinen, hab ich ihm Ibu-saft gegeben. Gegen 5 Uhr sind wir dann endlich ins Bett. Das Foto ist von Sonntagmittag – er hat dann nämlich bis 12 geschlafen.

Montag war er wieder fit und bereit für einen weiteren Nachmittag bei seiner Oma. Zum Glück, denn so konnte ich die fehlenden Arbeitsstunden vom Wochenende nachholen.

Gestern plagten ihn erneut ein Schwächeanfall und ein schmerzendes Ohr (dasselbe wie Samstagnacht). Ich steckte ihn am Abend mit einer Dosis Ibu-Saft ins Bett und er schlief sich bis heute Morgen 9.20 Uhr aus. Wenn es gut läuft, haben wir den Infekt nun überstanden, sicherheitshalber lasse ich ihn vor der Abreise noch einmal von unserer Kinderärztin untersuchen. Denn das letzte, was wir im Flieger brauchen, ist eine verschleppte Mittelohrentzündung…

Zoo_krefeld

Mein schlapper Schlammlappen gestern im Zoo

Schritt für Schritt

Trotz aller Zwischenfälle komme ich gut voran. Ich schreibe mir jeden Tag eine neue To-Do-Liste und arbeite die fast immer erfolgreich bis zum letzten Punkt ab. Langfristige Pläne waren zwar unmöglich, weil ich kaum den Ablauf des nächsten Tages abschätzen konnte. Aber diese Schritt-für-Schritt-Methode, das Hangeln von einem Tag zum nächsten funktioniert erstaunlich gut. So konzentrieren wir uns immer auf die aktuellen Probleme und das Finden einer entsprechend vernünftigen Lösung, ohne uns mit Zukunftssorgen aufzuhalten. Das ist effektiv und verhindert das Verrücktwerden. Kann ich jedem, der übers Auswandern nachdenkt nur wärmstens empfehlen.

Die Meisterplanerin

Obwohl ich mich selbst selten lobe, klopfe ich mir im Moment kräftig auf die Schulter. Ich habe eine Wohnung gefunden und eine Schule für das Mädchen. Habe ihr einen Platz in einem Sommercamp gesichert und eine Zuckertüte besorgt (die gibt es dort ja nicht). Ich habe ihre Überraschungsabschiedsfeier, die am Montag stattfinden wird, vorbereitet. Auf den letzten Drücker einen Termin für eine Schuluntersuchung ergattert. An kleines Reisespielzeug für den Flug gedacht. Die Sommerklamotten, die wir dort brauchen besorgt (ich werde ganz bestimmt keine Zeit finden mit den Nestlingen shoppen zu gehen). Ich habe den ganzen Kram in unserem Haus erfolgreich verkauft. Und zwar so, dass wir die wichtigen Sachen wie Küche, Esstisch, Couch und die elektronischen Geräte erst auf den letzten Drücker abgeben müssen. Ich habe die ersten Dinge, die wir für die erste Nacht benötigen (Decken & Co) schon im amerikanischen Amazon-Einkaufswagen, damit ich sie an Superwoman schicken kann. Es gibt im Grunde nichts, woran ich nicht gedacht habe. Und wenn es mir bis zum letzten Tag gelingt nichts zu vergessen, werde ich demnächst Eventplanerin 😉

Wie fühlt sich eine Hausräumung an?

Am Anfang fand ich es ungemein befreiend, mich von materiellen Dingen zu trennen. Irgendwann kam ich einen Punkt, an dem es mir zunehmend schwerer fiel. Vor allem bei Sachen, die von großer, emotionaler Bedeutung für mich waren wie die ersten Kleidungsstücke der Nestlinge, alte Fotoalben oder die Tagebücher aus meiner Jugend.

Obwohl eine gestrickte Mütze, die dem Bub mittlerweile viel zu klein ist, rein rational betrachtet aussortiert werden kann, habe ich es nicht übers Herz gebracht, mich davon zu lösen. Diese Mütze hatte meine Hausgeburtshebamme für ihn gestrickt und er trug sie unmittelbar nach seiner Geburt.

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Der Bub kurz nach der Geburt – diese Mütze muss mit

Ich nehme nur wenige solcher Erinnerungsstücke mit, obwohl ursprünglich ein großer Karton damit gefüllt war. Bei meinen temporären Reisen ins Ausland hatte ich solche Kisten bei meiner Familie untergestellt und bei meiner Rückkehr wieder abgeholt. Dieses Mal gibt es vielleicht keine Rückkehr, so dass ich alles, was mir lieb und teuer ist, mitnehme. Sicherheitshalber.

Hamsterkäufe: Was, wenn es das in Amerika nicht gibt?

Dann mache ich gerade noch etwas ultra bescheuertes: Hamsterkäufe von den Produkten, von denen ich meine, dass ich ohne sie im Alltag nicht klar komme bzw. dass ich sie in New York nicht erhalte. Wie die Einwegrasierer, mit denen ich mir seit zig Jahren im Sommer meine Beine rasiere oder mein Lieblingsdeo. Letztes Jahr in Brooklyn staunte ich beispielsweise nicht schlecht, als das Deo meiner Marke knapp zehn Dollar kosten sollte.

Hamsterkauf

Genug Rasierer für den kompletten Sommer…

Falls ich damit das zulässige Gewicht unserer Koffer sprenge, sortiere ich dann am Flughafen alles wieder aus. Das wird schön unangenehm. Im besten Fall bekomme ich alles rüber geschmuggelt, um dann festzustellen, dass ich das Gleiche in grün auch in New York bekommen hätte.

Keine Ahnung, warum ich dieses Bedürfnis verspüre, aber vielleicht sichere ich mir so ein kleines Stück Heimat? Oder es ist mein mangelndes Vertrauen in die amerikanischen Produkte. Wohl eher letzteres…

Könnte ich nur den Moment genießen…

Auf die letzten Meter versuche ich noch so viele Verabredungen mit meinen mir liebsten Mädels zu treffen wie möglich. Was ich dabei total unterschätzt habe, ist die Tatsache, dass ich diese Nachmittage kaum noch richtig genießen kann. Es gelingt mir nur bedingt im Hier und Jetzt zu sein – in die schönen Augenblicke einzutauchen – weil im Hinterkopf immer das Auswandern und irgendeine To-Do-Liste herumschwirren. Furchtbar.

Auswandern

Summerfeeling in Krefeld und ich kann nur an New York denken

Dennoch treffe ich meine Mädels noch so oft der Terminkalender es ermöglicht. Auch wenn ich gedanklich kaum abschalten kann, tut es gut über den Zustand zu reden. Gemeinsam zu überlegen und zu kichern. Das fühlt sich wunderbar an und lenkt ab. Meine lieben Freundinnen werde ich schmerzlich vermissen.

Kleine Vorschau: So chaotisch wird die nächste Woche

Morgen wird unsere Küche abgeholt, am Samstag die Couch, am Montag der Esstisch, der Kühlschrank, die Waschmschine und der Geschirrspüler. Montag ist außerdem Sperrmüll, so dass auch alle elektronischen Kleinteile (Toaster, Wasserkocher, Mikrowelle) und die letzten Möbel (alte Regale usw.) verschwinden. Am Montag bleiben uns nur noch drei Matratzen und unsere Koffer.

Auswanderung

Unser Schlafzimmer besteht nur noch aus zwei Matratzen, Koffern und einigen kleinen Kisten

Das wird dann vermutlich auch der Zeitpunkt sein, an dem unsere Stimmung Richtung Keller wandert. Ich bin nach wie vor voller Vorfreude, aber der Gedanke an nächste Woche erzeugt auch zunehmend Lampenfieber. Um nicht zu sagen riesigen Bammel!

Bis dahin
Eure Kathrin

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