Beikoststart: Ist mein Baby bereit für feste Nahrung?

Kathrin Beikost 8 Kommentare

Seit geraumer Zeit schaut der Bub (21 Wochen) mir neugierig hinter, wenn ich etwas Essbares zum Mund führe. Er reißt seine Augen auf und wedelt aufgeregt mit seinen kleinen Händchen. Manchmal fuchtelt er so wild, dass er mir das Essen bzw. die Getränke fast aus der Hand schlägt, wenn er bei mir auf dem Schoß sitzt.

Als er sich dann letzte Woche, einen Löffel befüllt mit meinem Smoothie gierig in den Mund steckte, kochte ich flott einen Karottenbrei. Falls er wirklich Brei möchte, dann lieber keine 6-Frucht-Mischung, sondern den unverfänglichen Klassiker, dachte ich mir. Doch statt diesen dann – wie erwartet – löffelweise zu verdrücken, verzog er seine kleine Schnute. Schöner Reinfall!

Babys sind Mund- und Handwesen

Wenn wir Babys in diesem Alter (ab 4 Monate) genauer beobachten, stellen wir fest, dass sie ausnahmslos alle Dinge berühren und in den Mund nehmen wollen. Remo Largo erklärt in seinem Buch Babyjahre, dass „das Erforschen der Umwelt ein wichtiger Bestandteil ihrer frühen geistigen Entwicklung ist und dass sie das nicht – wie die meisten Eltern wohl erwarten – mit den Augen tun, sondern mit dem Mund und den Händen.“[1]

„Allerdings will das Kind nicht prüfen, ob der Gegenstand essbar ist oder ihn gar verschlingen. Sein Verhalten hat Erkundungscharakter: Es lernt den Gegenstand über seinen Mund kennen. Mit Lippen und Zunge untersucht es Größe, Konsistenz, Form und Oberflächenbeschaffenheit. Dabei vermitteln ihm die Sinneskörperchen der Schleimhäute sowie der Zungen- und Lippenmuskeln Eindrücke über die Beschaffenheit des Gegenstandes (sogenannte taktil-kinästhetische Wahrnehmung).“[2]

Interesse am Essen?

Dieser Forscherdrang führt uns Eltern beim Thema Beikoststart schnell auf die falsche Fährte. Denn unsere Babys schnappen zu – egal ob es sich um ein Brötchen oder um eine Rassel handelt. Sie können noch gar nicht wissen, dass die Sachen, die wir am Tisch zu uns nehmen essbar sind bzw. nahrhafter als Bauklötze. Sobald sie greifen können, inspizieren sie alles, was ihnen in ihre kleinen Finger kommt, auch mit dem Mund.

Genau das demonstriert uns Nestling Nr. 2 gerade täglich. Der Bub „bearbeitet“ seine Spielsachen auf ähnliche Weise wie die Gurkenscheiben und Honigmelonenschnitze, die ich ihm reiche. Er packt zu und beginnt kurz darauf zu schmatzen – was auch immer ich ihm anbiete, er nimmt es in den Mund.

Beikost-wann

Der Bub in Aktion.

Doch ähnlich wie bei Rassel, Greifling und Co, lässt sein Interesse auch bei Obst und Gemüse nach einiger Zeit nach. Er schlabbert die Nahrungsmittel, die ich ihm gebe, zwar an, aber er nagt nichts davon ab. Auch mit Brei kann er, wie gesagt, als Essware noch nichts anfangen. Lege ich die essbaren Dinge zur Seite ertönt kein Protest, so dass ich davon ausgehen muss, dass er nur seine Neugier befriedigen, aber nichts davon futtern will.

Wichtige körperliche Voraussetzungen

Das Interesse am Essen der Erwachsenen (oder älteren Geschwister) gilt als eines von vielen Anzeichen für die Beikostreife und es spricht nichts dagegen dem Baby etwas Essbares anzubieten, wenn es entsprechende Signale sendet. Wichtig ist jedoch darauf zu achten, dass die körperlichen Voraussetzungen erfüllt sind, die dem Baby die Aufnahme von größeren Mengen an halbfester oder fester Beikost erlauben: [3]

  • Das aufrechte Sitzen mit wenig Unterstützung (auf dem Schoß)
  • Abschwächung des Zungenstreckreflexes (das Baby schiebt halbfeste Nahrung nicht automatisch wieder aus dem Mund heraus)
  • Die Bereitschaft zum Beißen und Kauen (eventuell erste Zähnchen)
  • Die Fähigkeit Nahrung selbstständig aufzunehmen und in den Mund zu stecken
  • Das wirksame, koordinierte Schlucken halbfester Nahrung

All diese Körperfunktionen stellen sich etwa in der Mitte des ersten Lebensjahres ein, weswegen das Anbieten größerer Mengen Beikost erst ab dem 6. Lebensmonat sinnvoll ist.

Wann darf ich beifüttern?

Ich weiß noch genau wie ich mich bei unserem Mädchen mit Pürierstab, Kochbüchern und Tupperdöschen eindeckte und bestens ausgestattet dem Tag X entgegen fieberte. Das Datum dafür hatte ich vorsorglich festgelegt (keine Ahnung anhand welcher Berechnungen) und als es endlich los gehen sollte, war ich überrascht, wohl auch etwas enttäuscht, als unser Mädchen meine selbstgekochten Breie verschmähte (siehe „Einheitsbrei Beikostempfehlung„).

Sie lehrte mich, dass nur das Baby weiß, wann es bereit ist für feste Nahrung und nicht der Kalender. Dass ich mich frei machen muss von Erwartungen und Vorstellungen á la „Mein Kind bekommt in der ersten Woche eine volle Portion Karottenbrei, in der zweiten Woche Karotte-Kartoffel und so weiter“. Dass das Essen lernen ein Prozess ist, der von uns Eltern Zeit und Geduld erfordert.

Renz-Polster betont, dass die „Antwort auf die Frage, ab wann die „Beifütterung“ für ein Kind vorteilhaft ist, auch immer davon abhängt, was genau mit Beifüttern gemeint ist.“[4] Einerseits gibt es keinen Hinweis, dass die Einführung von kleinen Mengen an Beikost (eine Handvoll Obst/ wenige Löffelchen Brei) vor dem fünften Monat unter Beibehaltung des Stillens nachteilig wäre. Denn Muttermilch unterstützt die Verdauung von kleinen Portionen stärkehaltiger Kost (siehe „Beikost und Allergien„). Wer jedoch der heute gängigen Praxis folgt und schnell eine Milchmahlzeit nach der anderen ersetzen möchte, sollte warten bis das Kind wirklich bereit ist – bis das Baby das Essen gerne und bereitwillig annimmt und vor allem gut schlucken kann.

Wie gehe ich beim Beifüttern am besten vor?

Ruhig und gelassen 🙂

Es bedarf einiger Anläufe und „Geschmacksproben“, bis Babys herausfinden, dass manche Dinge schmecken, bzw. besser schmecken als andere. Dass sich die Rassel zwar prima ablecken lässt, das Lutschen an der Melone aber für mehr Aroma, Saft und „Stückchen im Mund“ sorgt.

Deswegen ist es ratsam langsam und in kleinen Happen mit der Beikost anzufangen – egal ob Brei oder Fingerfood (siehe „Beikost für Stillkinder“). Dem Kind immer wieder etwas anzubieten, wenn es Interesse zeigt, aber nicht zu verlangen, dass es in wenigen Tagen eine volle Mahlzeit verdrückt.

Von der Milch zur festen Nahrung

Im ersten Lebensjahr geht es weniger um die Mengen, die ein Baby zu sich nimmt, sondern eher um die Freude am Entdecken und Schmecken. Idealerweise bleibt Muttermilch (oder Säuglingsmilch) bis zum ersten Geburtstag die Hauptnahrungsquelle. Das nimmt Druck und Stress, wenn die Kleinen mit weniger Appetit zugreifen, weil die Energiezufuhr in jedem Fall gesichert ist. Es verhindert außerdem, dass Eltern versuchen ihre Babys mit Tricks zum Essen zu überreden oder sie gar zu zwingen (siehe auch „Essen darf kein Zwang sein“).

Schlussgedanke

Der Bub kann sich glücklich schätzen, dass unser Mädchen kein Fan von Brei war und mich veranlasste länger als geplant zu stillen und mit Fingerfood zu experimentieren (siehe „Fingerfood statt Brei„). Dadurch darf er bis weit über seinen ersten Geburtstag hinaus stillen, wenn er möchte und es gibt keinen Eintrag in meinem Kalender für seinen B(r)eikoststart.

Wenn er mit den Händchen wedelt, bekommt er etwas zum Greifen oder er darf zerdrückte Kartoffel oder ähnliches probieren, bis er mir zeigt, dass er mehr möchte. Vielleicht hat er in wenigen Wochen schon den Dreh raus und futtert mir die Haare vom Kopf. Wenn er jedoch in die Fußstapfen seiner Schwester tritt, wird es noch ein Weilchen dauern, bis wir die Stillmahlzeiten merklich reduzieren. Mir ist beides Recht.

Im übrigen finde ich die Überlappung von Stillen und Beikost ungemein praktisch, vor allem wenn ich unterwegs bin oder im Urlaub. Denn die sättigende Milch hab ich immer dabei und somit gerate ich nicht in Panik, weil ich das Mittagessen vergessen habe oder im Ausland nichts Geeignetes für den Knaben zu Beißen finde.

Das Beifüttern kann nämlich ganz einfach und unkompliziert sein. Wenn wir Eltern die gängigen, starren Beikostpläne geflissentlich ignorieren und stattdessen auf die Signale unseres Kindes achten. Dann bieten wir unseren Babys zwar feste Nahrung an, lassen aber die Kleinen entscheiden, ob sie es nur neugierig anlecken oder aufessen wollen.

Footnotes    (↵ returns to text)

  1. Remo, Largo: Babyjahre (2013), S. 304.
  2.  Remo, Largo: Babyjahre (2013), S. 311.
  3. Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), S. 85.
  4.  Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen (2012), S. 86.
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